Unterwegs mit "Drnda internacional"

Der Heimholer

"Sie brauchen nur zu sterben, den Rest erledigen wir". Diesen Satz, den der Drnda einmal spaßeshalber im Fernsehen geäußert hat, halten viele hier, im Osten Serbiens, für seinen Werbeslogan. Das spricht für sich.

Gestorben wird immer

Jeder kennt den Drnda, man traut ihm, was seine Methoden betrifft, alles zu, aber man nimmt ihm nichts übel. Die offizielle Botschaft lautet übrigens: "Wenn Sie schon wählen müssen, wählen Sie den Besten!", und man kann sie im Regionalfernsehen und im staatlichen Satellitenprogramm, das sich an die Gastarbeiter im Ausland wendet, jeden Abend als Hintergrund hören, während sich in der Werbeeinschaltung Drndas Fuhrpark formiert: 17 Mercedes, silbern die meisten, nur die alten sind schwarz.

Die beliebtesten seiner vielen Werbegeschenke sind Schlüsselanhänger in Form von Särgen, wahlweise zu haben in Holz oder Metall. Und "Drnda", sein Spitzname (seinen richtigen Namen kennt kaum jemand), den er von Vater und Großvater geerbt und als Namen für seine Bestattungsfirma gewählt hat, bezeichnet ein kräftiges, lautstarkes Rütteln, wie man es etwa von einem losen Auspuff kennt. Die Leute in dieser Gegend lachen nicht darüber; sie sprechen mit Hochachtung, manchmal auch mit Neid über ihn, weil er ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein großer "biznismen" ist.

Nur 48 Stunden

Tatsächlich ist "Drnda internacional" der größte private Bestatter Serbiens und als Überführer verstorbener serbischer Gastarbeiter aus ganz Europa unangefochtene Nummer 1. Und seine etwas bizarre Seite, die auch mich anfänglich angelockt hat, vergisst man schnell, wenn man sich näher mit seiner Arbeit beschäftigt.

Seit vier Jahren besuche ich ihn regelmäßig und bin stets aufs Neue erstaunt, wie es hier mit professioneller Ruhe, mit Improvisatonstalent (und gegebenenfalls mit freundlichem Nachdruck bei den Konsulaten) gelingt, selbst in absoluten Spitzenzeiten, wenn wieder einmal überall gleichzeitig gestorben wird, das Versprochene einzuhalten: Spätestens 48 Stunden nach Bestellung steht, egal wo in Europa, ein Wagen vom Drnda vor der Tür, mit Wunschsarg, Grabbeigaben und sämtlichen amtlichen Papieren für die Überfuhr.

Auf der "Gastarbeiter-Route"

Bei Fuhren, die ich als Beifahrer und, wenn es wegen Übermüdung des Fahrers hat sein müssen, als Chauffeur mitgemacht habe, ist mir das Drnda-Business im Kopf allmählich zum Roadmovie geworden. Das ist kaum anders möglich, wenn man viele Stunden, vor allem nachts, im Leichenwagen über die Autobahn brettert. Das Wort "Gastarbeiter-Route" erhält dann einen anderen Sinn. Der Drnda wird zur Metapher. Mit dem Leichenwagen fahren wir den Weg nicht nur des Verstorbenen, sondern des Gastarbeiters "an sich" ab.

Abfahrtsort des Wagens ist stets Pozarevac, Drndas Hauptsitz, und kein anderer Ort könnte symbolisch richtiger sein. Die größte Gruppe der Serben in Österreich, vor allem in Wien, stammt aus dieser Gegend südöstlich von Belgrad, aus dem Verwaltungsbezirk Branicevo, dessen Hauptstadt Pozarevac ist. Pozarevac, heißt es in Pozarevac, ist die Hauptstadt von Wien. Von hier sind die Gastarbeiter aufgebrochen, in der festen Annahme, nach wenigen Jahren zurückzukehren. Bald würden sie sich etwas erspart haben, damit würden sie ein Häuschen bauen, ein Stück Land kaufen und einen Traktor dazu.

Es kam, wie wir wissen, anders, und während sie warteten auf die nun zwar verspätete, aber irgendwann auf jeden Fall stattfindende Rückkehr, führten sie ein Leben im ständigen Dazwischen: in Österreich nie angekommen, in Serbien nicht mehr zuhaus; immer auf der Gastarbeiter-Route, im Kopf ebenso wie im Auto beziehungsweise im Minibus.

Die Zwischenwelt

Der Leichenwagen hält zur Kaffeepause, wo auch die lebenden Gastarbeiter halten, die gerade wieder einmal von da nach dort unterwegs sind: im Grill-Lokal "Pozarevac", das an der alten Straße durch Ungarn liegt. Da sind sie ganz unter sich, in ihrer Zwischenwelt, die außer ihnen keiner versteht. Drndas Fahrer kennt man hier, und manchen ist klar, dass der, mit dem sie gerade scherzen, ihr zukünftiger Chauffeur sein wird.

Die Rückkehr haben sie inzwischen für die Zeit in der Pension geplant. Aber selbst gesetzt, dass sie sie erleben, spricht dann plötzlich so vieles dagegen. Und während sie noch abwarten und abwägen, klingelt schon der Drnda an der Tür.

Die Rückkehr der ersten Generation

"Ihr Leben lang wollen sie einen Mercedes. Am Ende fahren sie in einem: in meinem!" Ja, der Drnda kann verdammt zynisch sein. Aber es ist schon gut, dass er ist, wie er ist. Das Roadmovie wäre sonst zu rührselig, die Sinnlosigkeit des Wartens zu überwältigend.

Außerdem: Wenn einer böse Witze machen darf, dann ist es der Drnda. Er war selbst Gastarbeiter, ab seinem 15. Lebensjahr, in Wien, dann im Schwabenland. Ende der 1980er Jahre starb dort ein Freund von ihm. Er kümmerte sich um die Überführung nach Jugoslawien und musste erfahren, wie kompliziert und teuer das damals war. Das brachte ihn auf seine Geschäftsidee. Ohne diese bittere Erfahrung, davon ist er überzeugt, würde er selbst irgendwann mit einem seiner heutigen "Konkurrenten" (die Anführungszeichen setzt der Drnda) nach Hause kommen.

Nikola, Drndas phlegmatischster Fahrer, den ich gelegentlich an der Shell-Tankstelle beim Matzleinsdorfer Platz auf einen Kaffee treffe, weil ganz in der Nähe, in der Leichenhalle des Evangelischen Friedhofs, alle Abholbereiten gesammelt werden, deren Weg nicht in die Pathologie geführt hat, sagt es so: "Die erste Generation kehrt mit dem Drnda zurück, die zweite gar nicht mehr."