Wolfram Siebeck isst unterwegs

Geschichten auf dem Teller

"Reisen macht arm und dick" - jedenfalls wenn man Wolfram Siebeck heißt und als bedauernswerter Gourmetpapst weitgehend auf eigene Kosten durch die Welt reist, weil kaum ein Zeitungsverlag es sich heute noch leisten kann, seinen Mitarbeitern kulinarische Abenteuer in aller Welt zu finanzieren.

So ist es im Buch "Wolfram Siebeck isst unterwegs" zu erfahren. Der 83-jährige hat darin Reiseberichte aus vier Jahrzehnten zusammengestellt, und beschreibt so unterschiedliche Phänomene wie die allzeit erregende Wirkung des Wiener Naschmarkts auf das "Gemüt eines Verfressenen", die Phase der "gastronomischen Dunkelheit", die Anfang der 1970er Jahre über die New Yorker Restaurantszene hereinbrach, oder den damals noch zu entdeckenden faszinierenden Purismus der fernöstlichen Küche.

"Das hat miuch wahnsinnig beeindruckt, weil diese Küche noch richtig puristisch, zen-buddhistisch ist", meint Siebeck.

Kulinarisches Ödland

Neben den gastronomischen Hotspots der Welt, hat Wolfram Siebeck im Lauf der Jahrzehnte aber auch kulinarisches Ödland bereist. Etwa die "Uckermark", jenen ostdeutschen Landstrich, der als Heimat Angela Merkels zu spätem Ruhm gekommen ist. - "Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln!"

Der deutschen Küche kann Wolfram Siebeck ganz allgemein nicht viel abgewinnen. Immer noch sei sie in der Mentalität der Mangelwirtschaft verhaftet, die der Zweite Weltkrieg mit sich brachte, moniert der gelangweilte Gourmet.

Alles nur "Ersatz"

In "Wolfram Siebeck isst unterwegs" finden sich auch Erinnerungen an die allererste, unfreiwillige Reise des zukünftigen "Geschmacksrichters" - als Flakhelfer wurde er mit 16 Jahren an die Oder geschickt. Ein trauriger Lebensabschnitt, den Siebeck in der ebenso einfachen, wie aussagekräftigen Beobachtung zusammenfasst: "Schlecht kochen kann jeder, darauf auch noch stolz zu sein, das schafften nur die Nazis."

"Von einer großen Küche konnte überhaupt nicht die Rede sein, vor allem weil es gar keine Tradition dafür gab in Deutschland. (...) Beim Militär gab es dann keine Butter mehr, nur Margarine, Einheitsmarmelade, Kunsthonig - es war alles Ersatz."

Sittenverfall in der Küche

Misstrauen gegenüber billigen Ersatzstoffen, Labor-Aromen und Geschmacksverstärkern sei auch heute die "erste Konsumentenpflicht", meint Wolfram Siebeck. Dass der weltweit zu beobachtende kulinarische Sittenverfall, wie von einigen Restaurantkritikern behauptet, auch vor der "Haute Cuisine" nicht Halt mache, will der Gourmetpapst allerdings nicht bestätigen:

"Da muss ich die Küchenchefs verteidigen, die hüten sich schon sehr, diesen ganzen Dreck zu verarbeiten." Die wirklich Ambitionierten aus dem obersten Segment, würden so etwas nicht machen. "Dafür lege ich meine Hand ins Feuer."

Service

Buch "Wolfram Siebeck isst unterwegs. Kulinarische Abenteuer", Residenz

Wolfram Siebeck