Renaissance der französischen Diplomatie?
Sarkozy und Libyen
Die französische Diplomatie war zu Beginn des Jahres - nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten auf Grund ihrer zögerlichen Haltung, zum Gespött in aller Welt geworden - Frankreich habe seine Stimme verloren, hieß es. Plötzlich aber stand es in der Libyen-Frage, zumindest auf den ersten Blick, innerhalb von nur einer Woche wieder an vorderster Front.
27. April 2017, 15:40
Präsident Sarkozy und sein Außenminister Juppé hatten maßgeblichen Anteil daran, dass die UNO-Resolution 1973 im Sicherheitsrat angenommen wurde, der anschließende Sondergipfel zu Libyen, bei dem die internationale Koalition für den Militäreinsatz zusammenkam, wurde nach Paris einberufen.
Die "Verantwortung vor der Geschichte"
"Pariser Konferenz zum Schutz des libyschen Volkes - 19. März 2011" stand in großen Lettern an der Wand, vor der die Gipfelteilnehmer letzten Samstag zum Gruppenfoto antraten. In der Mitte, flankiert von seinem Premier und seinem Außenminister, Frankreichs Präsident Sarkozy - US Außenministerin Clinton und der britische Premier Cameron ein Stück weiter weg. Es war die perfekte Inszenierung eines angeblichen diplomatischen Erfolgs Frankreichs.
Während der belgische Premier und der UNO-Generalsekretär beim Verlassen des Elyseepalastes noch einmal die Führungsrolle Frankreichs lobten, trat Nicolas Sarkozy vor die Kameras aus aller Welt, verkündete, die französische und die europäische Fahne im Rücken, den Beginn der Kriegshandlungen und schloß mit den Worten: "Ich sage es feierlich: jeder muss sich jetzt seiner Verantwortung stellen. Die Entscheidung, die wir treffen mussten, ist schwerwiegend. An der Seite seiner arabischen, europäischen und nordamerikanischen Partner wird Frankreich seine Rolle vor der Geschichte ausfüllen."
Frankreichs andere Libyen-Politik
Dies alles passierte an dem Ort, an dem Nicolas Sarkozy vor drei Jahren und vier Monaten noch Muammar al Gaddafi mit dem gesamten Pomp der Republik empfangen hatte und an dessen Seite minutenlang grießgrämig hinter einem Schreibtisch stand, an dem libysche Minister und Aufsichtsratsvorsitzende französischer Großkonzerne endlos Verträge unterzeichneten, auch über Waffenlieferungen und über Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomkraft.
Ende 2010 verhandelte Frankreich noch mit Gaddafi über einen möglichen Verkauf von Kampfflugzeugen und noch vor zwei Wochen versuchte Präsidentenberater Guaino die Vergangenheit der französisch-libyschen Beziehungen zu rechtfertigen: "Wenn der Preis dafür, dass nicht ein ganzes Land im Terrorismus versinkt, der ist, einem nicht ganz korrekten Präsidenten die Hand zu schütteln, so ist es die Pflicht der Staaten, dies zu tun", so Guaino.
Politik, so Guaino weiter, sei nicht eine Frage von Schwarz oder Weiss, sondern bestehe darin, zwischen Gut und Böse einen korrekten Weg zu finden, der möglichst viele Leben, den Frieden und die Stabilität der Welt schütze. "Manchmal macht man sich dabei ein wenig schmutzig, die Welt ist nun mal nicht rein - die Größe der Politik besteht dabei darin, die Würde zu wahren", schloss Sarkozys Berater.
Diplomatischer Mehrwert
Natürlich steht Nicolas Sarkozy auch im Verdacht, mit seinem diplomatischen Vorpreschen zum Schutz des libyschen Volkes nicht nur die jüngste Vergangenheit der französisch- libyschen Beziehungen vergessen machen zu wollen, sondern auch die Tatsache, dass sich mehrere seiner Minister bis zum Schluss mit Ben Ali oder Hosni Moubarak kompromittiert hatten und aus Frankreich, dem Land der Menschenrechte, kaum aufmunternde Worte für den beginnenden Frühling der arabischen Völker zu hören waren, sonder nur betretenes Schweigen.
Edwy Plenel, Chef des Internetportals Mediapart und früherer Chefredakteur von "Le Monde" meint dazu: "Die Flugzeuge des Herrn Gaddafi stammen aus Russland und aus Frankreich. Und wenn der Innenminister in derselben Woche sagt: 'man fühlt sich in Frankreich nicht mehr zu Hause, weil es zu viele Ausländer gibt', - dieser große Spagat lässt mich erschauern. Ich denke wir sind nicht wirklich gut platziert, um derzeit in den Ameisenhaufen der arabischen Welt zu treten."
Innenpolitisches Kalkül
Doch innenpolitisch gesehen stellt dieser Militäreinsatz in Frankreich, wo das Parlament nicht zustimmen -, sondern nur informiert werden muss, für Präsident Sarkozy kein Problem dar - bis hin zur "Linken Front" des Ex-Sozialisten Jean Luc Melenchon reicht die nationale Einheit in dieser Frage. Auch die Grünen sind einverstanden. Schon nach der Annahme der UNO-Resolution, hatte Daniel Cohn-Bendit Außenminister Juppé für sein Engagement Anerkennung gezollt.
Gewiss hat Frankreichs Präsident, zu Hause nach wie vor in einem historischen Umfragetief, bei seiner Libyen-Initiative auch an die innenpolitischen Auswirkungen gedacht und sich daran erinnert, dass Präsident Mitterrand im ersten Golfkrieg 1991 einen wahren Höhenflug in den Meinungsumfragen erlebt hatte, der durch den Reflex der Bevölkerung zustande kam: Wenn Krieg ist, steht die Nation geschlossen hinter den Soldaten im Einsatz und hinter dem Präsidenten der Republik, in Frankreich zugleich oberster Befehlshaber der Streitkräfte.
Was kommt?
Es zeigte sich jedoch sehr schnell, dass es diesem Militäreinsatz an einem klar definierten Ziel fehlt. Und mit jedem weiteren Tag der Bombardierungen wird deutlich, dass vieles an der von Frankreich vorangetriebenen Initiative Fassade und nicht wirklich durchdacht war. Die von Nicolas Sarkozy anfangs so viel zitierten arabischen Partner sucht man in der internationalen Koalition, mit zwei symbolischen Ausnahmen, vergeblich, die arabische Liga ging schnell auf Distanz. Und das französische Bemühen, die NATO auf Grund ihres Image in der arabischen Welt bei dieser Militäraktion draußen zu lassen, ließ sich nicht lange durchhalten. Es ist nicht auszuschließen, dass in Frankreich von den anfänglichen Lobeshymnen für Sarkzoys Libyen-Initiative schon in kurzer Zeit nicht mehr viel übrig bleiben wird.
Text: Hans Woller
Textbearbeitung: Joseph Schimmer