Die Besonderheiten der Wöckherl-Orgel

Wiens älteste Orgel erklingt wieder

Frühbarocker Orgelklang wie vor fast 370 Jahren ist wieder in der Franziskanerkirche in Wien zu hören: Nach mehrjährigen Restaurierungsarbeiten durch die Schweizer Orgelbaufirma Kuhn ist die Wöckherl-Orgel (benannt nach dem Orgelbauer Johannes Wöckherl) wieder in Betrieb. Sie weist einige klangliche Besonderheiten auf.

So klingt Wiens älteste Orgel

Heinrich Scheidemann, "Praeambulum in d", Roman Summereder (Orgel)

Franziskanischer Stil

Die Franziskaner haben seit jeher eine besonders intensive Beziehung zur Musik und im Laufe der Jahrhunderte hat sich im Bereich der katholischen Kirchenmusik eine eigener, unverwechselbarer "franziskanischer Stil" entwickelt. Der Orden, vielfach mit der Seelsorge für die ärmeren und ungebildeteren Schichten beauftragt, sah in der Musik ein wichtiges Element der Verkündigung, weil durch die Tonkunst das Empfinden der zuhörenden Menschen besonders angesprochen werden kann.

So spielt denn die Orgel in den franziskanischen Kirchen eine wichtige Rolle. Viele österreichische Gotteshäuser dieses Ordens verfügen über wertvolle Instrumente, die oft mehrere Jahrhunderte alt sind. Hier kann nun seit kurzem auch das Instrument in der Wiener Niederlassung der "Minderen Brüder", wie sich der Orden gemäß Franz von Assisi selbst bezeichnet, wieder hinzugerechnet werden. Nach einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf ist sie nach einer Generalrestaurierung wieder spielbar gemacht worden und sie darf für sich in Anspruch nehmen, die älteste erhaltene und funktionsfähige Orgel der Bundeshauptstadt zu sein.

Gefragter Orgelbaumeister

Erbaut wurde das für ein Instrument des österreichischen Barock typische Instrument 1642 vom Wiener Meister Johann Wöckherl; so steht sein Name allerdings nur in den amtlichen Kaufverträgen, er selbst unterschrieb sich mit "Hans Weckerl".

Dieser kunstreiche Handwerker mit dem nahrhaften Namen war ein Gefragter in seinem Metier, Werke von ihm sind nicht nur in Österreich, sondern auch in Ungern und der Slowakei nachweisbar, wenn auch kaum mehr davon etwas erhalten ist, sodass dieses Instrument nunmehr als einziges wirkliche Kunde gibt von den Fähigkeiten dieses Wiener Orgelbaumeisters.

Besonderheiten der Stimmung

Die Orgel weist etliche Besonderheiten auf. Eine davon ist die Aufstellung im Betchor hinter dem Hochaltar, sodass sie vom Kirchenschiff aus garnicht recht gesehen werden kann. Eine weitere Spezialität ist die Ausstattung mit Subsemitonien. Diese erlauben es, dass - je nach vorgeschriebener Tonart - zwischen gis°/as°, dis¹/es¹ und gis¹/as¹ unterschieden werden kann. Das hat seinen guten Grund, denn die Orgel ist mitteltönig gestimmt, das heißt: in einige Tonarten klingen Terz und Quint ganz rein, in anderen dafür recht unsauber, wodurch sich auch die Charakteristik der einzelnen Tonarten hörbar macht.

Auf diese Weise werden bestimmte Passagen in kirchenmusikalischen Werken in deren ausdeutenden Qualitäten erst richtig verständlich: wenn etwa zum Lobpreis der sündenlosen Gottesmutter Maria ein strahlend reiner Akkord erklingt, im Zusammenhang mit Tod und Hölle aber ein schrecklich falscher.

Solche Eigenheiten geben den Zuhörenden einen nachhaltigen Einblick in die Denkweise gläubiger Menschen vergangener Jahrhunderte, welche mit Hilfe der Musik und besonderer Eigenheiten der Instrumente die Wahrheiten ihres Glaubens reflektieren.