Zeichnungen von Jan Fabre
Blaue Stunde im Kunsthistorischen Museum
"Die Jahre der Blauen Stunde" heißt eine Ausstellung, die ab 4. Mai 2011 im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen ist und die einmal mehr die altehrwürdigen Bilder der Gemäldegalerie mit zeitgenössischer Kunst in Verbindung bringt.
8. April 2017, 21:58
Es ist der dritte Teil einer Ausstellungsserie, die der belgische Künstler Jan Fabre 2006 für das Königliche Museum der Schönen Künste in Antwerpen und 2008 für den Louvre in Paris gestaltet hat. Die Wiener Ausstellung ist die reduzierteste von allen: Sie beschränkt sich auf die Zeichnungen des Künstlers, der auch für seine buntschillernden Insektenskulpturen oder als Performancekünstler bekannt ist.
Jan Fabres Weltruhm begann, als er 1984 an der Biennale in Venedig teilnahm, 1987 stellte er bei der documenta VIII seine früheste Choreografie vor. 2002 machte er von sich reden, als er im Auftrag von Königin Paola von Belgien die gesamte Decke des Spiegelsaales im Königlichen Palast in Brüssel mit den Deckflügeln von Prachtkäfern auskleidete.
Kulturjournal, 03.05.2011
Die blaue Stunde, das ist für Jan Fabre der magische Moment des Zwielichts, wenn zweimal täglich Tag und Nacht ineinander übergehen. Wenn sich etwa bei Tagesanbruch die Lebewesen der Nacht zurückziehen, um den Platz den Lebewesen des Tages zu überlassen. Es ist ein Moment der Stille, der schon vibriert von der Energie dessen, was da kommt.
Diese energiegeladene Ruhe strahlen auch die Zeichnungen von Jan Fabre aus, für die er Millionen von kleinen blauen Strichen auf Papier, Leinwand oder Seide setzt. Jan Fabre nennt das den "Sturm in der Stille". Da hängt etwa ein riesiger Vorhang, 50 Meter mal 5 Meter von der Decke der Gemäldegalerie, übersäht mit winzigem Kugelschreibergestrichel, das blau glänzt. Je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet, changiert es in alle Richtungen: grün bis zartes Orange. Für Jan Fabre war Kugelschreiber schon in der Studentenzeit das ideale Zeichenmaterial: billig und überall zu haben.
Gestalten aus Strichen
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: In den Strichen, die sich wie Wolken zusammenballen, um dann gleich wieder auszufransen, kann man Formen und Gestalten erkennen. Irgendwo ist ein fliegender Hahn versteckt, den man mit etwas Geduld auch entdecken kann. Für Jan Fabre ist das die Freiheit der Imagination. Sich selbst bezeichnet er als Dirigent des Zufalls.
Warum er hier in der Gemäldegalerie gerade Zeichnungen zeigt? Weil jedem Gemälde eine Zeichnung zugrunde liegt, weil die alten Meister immer auf Papier Skizzen angefertigt haben oder auch auf der Leinwand. Das heißt, Fabre bringt hier den Hintergrund zum Vorschein. Wenn zeitgenössische Kunst neben Alten Meistern hängt, dann bewegt das die Betrachter dazu, historische Bilder zeitgenössischer zu sehen. Denn Renaissancegemälde sind oft innovativer, anarchistischer und subversiver, als viele heutige Kunstwerke, sagt Fabre.
Die Wolken vermessen
Das Blauschillern der Kugelschreiberstriche erinnert an die in blaugrün-goldig schimmernden Skarabäus-Käfer, denen schon im Alten Ägypten göttliche Kräfte zugeschrieben wurden. Es sind diese Käfer, mit denen Jan Fabre gewöhnlich seine Skulpturen gestaltet. Manchmal kauft er sie, meist findet er sie in Restaurants, denn in Indonesien oder Malaysia isst man diese Käfer.
Von diesen prächtigen Skulpturen ist keine in der Ausstellung zu sehen. Dafür gibt es zwei Bronzeskulpturen: eine am Dach des KHM, die andere in der Eingangshalle. Eine der Skulpturen zeigt einen Mann in Lebensgröße, der mit erhobenem Zollstab versucht, die Wolken zu vermessen. Für Jan Fabre ist das eine Metapher seines Berufs. Als Künstler steht er auch auf einem riskanten Platz und versuche etwas Unmögliches: die Wolken zu vermessen.
Service
Jan Fabre, "Die Jahre der Blauen Stunde", 4. Mai bis 28. August 2011, Kunsthistorisches Museum,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (EUR 3,-).
KHM - Jan Fabre