Wenn der Sommer nicht mehr weit ist
Theaterfestivals in Europa und in Ö1
Der Terminkalender für Theaterfreunde ist auch im Sommer ausgefüllt. Ein Vorgeschmack auf die vielfältigen und bunten Festivals, die von A bis Z, von Amstetten bis Zwettl oder von Aalen bis Zwingenberg, stattfinden. Wir präsentieren einige Highlights des Theatersommers.
26. April 2017, 12:23
Es beginnt Ende Juni, wenn die Wiener Festwochen ihre letzte Vorstellung abgespielt haben und sich wenige Tage später auch die Theaterhäuser des Landes in den wohlverdienten Sommerschlaf zurückziehen. Was dann einsetzt, ist schon lange keine "Musenpause" mehr. Ganz im Gegenteil. Sommertheater und Festivals sprießen aus dem Boden wie die vielzitierten Schwammerln bei feuchtem Wetter. In Burghöfen und vor Steinbrüchen, auf Seebühnen und in Wiesenzelten, in Bunkern und alten Hotels wird gespielt.
Die Häuser schlafen, doch das Theater feiert.
Theaterfest Niederösterreich
Zum "Theaterfest" laden allein in Niederösterreich 23 Spielstätten. Allen voran, als Königin, die Festspiele Reichenau, die seit ihrer Gründung 1988 ihre Besucherzahl verzehnfachen konnten. Heuer müssen die Festspiele allerdings auf ihren Publikumsmagneten, das alte Südbahnhotel am Semmering, als Spielstätte verzichten. Zehn Jahre lang lockte es mit seiner morbid-romantischen Kulisse Besucher/innen aus ganz Österreich an. Doch ab 2011 steht das baufällige Haus den Festspielen nicht mehr zur Verfügung.
"The show must go on", meinen die Intendanten, das Ehepaar Renate und Peter Loidolt, und beginnen den Festivalreigen Anfang Juli im Neuen Spielraum des Theaters Reichenau mit "Fräulein Else" von Arthur Schnitzler. Stefan Slupetzky hat aus der Novelle eine Bühnenfassung gemacht, Alexandra Liedtke, die kürzlich an der Josefstadt höchst erfolgreich David Harrowers "Blackbird" umgesetzt hat, wird inszenieren.
Ioan Holenders Reichenau-Debüt
Interessant wird auch sein, wie Nicolaus Hagg den Spion Oberst Redl (man erinnere sich an Klaus Maria Brandauer im Film) für die Bühne bearbeitet. Außerdem kann man den "Rosenkavalier" als Theaterstück erleben (Bearbeitung: Hermann Beil) und darf gespannt sein, wie der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender in seinem Reichenau-Debüt den Herrn von Faninal anlegt.
Reichenau, das steht für eine exklusive Theaterwelt mit eigenen Gesetzen und Traditionen, in der das Publikum gehobenes und kontinuierlich-qualitätsvolles Schauspieltheater samt bewährten Publikumslieblingen geboten bekommt.
Über die dortigen Premieren werden wir Sie in unseren Journalen informieren, im täglichen Kulturjournal (17:09 Uhr) können Sie einen Blick hinter die Kulissen werfen, und in der Sendung Intermezzo (früher im Künstlerzimmer) werden wir Gäste aus Reichenau begrüßen.
Welt-Theater-Festival Art Carnuntum
Weniger um österreichisches als vielmehr um internationales Flair bemüht sich jedes Jahr sehr erfolgreich Piero Bordin mit seinem Welt-Theater-Festival Art Carnuntum. Peter Stein und Gérard Depardieu waren bei ihm schon zu Gast. Heuer kommt man dort in den Genuss, Shakespeare im Original zu erleben. Das Londoner Globe Theatre spielt "Hamlet" und "As you like it", und zwar in der neu dazugewonnenen Spielstätte des Festivals, dem Festschloss Hof.
Ein ganz besonderer Spielort, auf den ich mich selbst jedes Jahr aufs Neue freue, ist der ehemalige Luftschutzstollen in Mödling, den Bruno Max für sein extravagantes Stationentheater "Theater im Bunker" nutzt. In Kleingruppen wird man rund eine Stunde lang durch das Stollensystem geführt, vorbei an den einzelnen Szenen, die wie Blitzlichter aufleuchten und wieder verlöschen. Abgründiges und Dunkles ist Programm - passend daher auch das heurige Thema: Edgar Allan Poes Welt.
Salzburger Festspiele
Neben den kleinen Geheimtipps, die wir für Sie entdecken, sind wir natürlich auch bei den ganz großen und traditionellen Festspielen, wie jenen in Salzburg, vertreten. Von der Eröffnungsrede bis zur letzten Premiere informieren wir Sie in den Journal-Sendungen, außerdem wird das Kulturjournal an drei Tagen live und vor Publikum aus Salzburg gesendet (27. - 29. 7.).
Salzburg könnte heuer besonders interessant werden, ist es doch die einzige Saison des Interims-Intendanten Markus Hinterhäuser, bevor im kommenden Jahr Alexander Pereira die Leitung übernimmt. Abgesehen vom alljährlichen "Jedermann" auf dem Domplatz verspricht man sich von Hinterhäuser ein durchaus nicht routiniertes Programm. Goethes "Faust" (erster und zweiter Teil) wird als sechsstündiger Marathon auf der Pernerinsel in Hallein aufgeführt, in der Regie von Nicolas Stemann. Und auch die Uraufführung von Peter Handkes "Immer noch Sturm" macht neugierig. Dieses Stück hätte ja eigentlich von Claus Peymann am Burgtheater inszeniert werden sollen, doch dann hat sich Handke anders entschieden. Statt Wien also Salzburg, und statt Peymann Dimiter Gotscheff.
Außerdem kehrt Gert Voss, der ehemalige Jedermann, in diesem Jahr nach Salzburg zurück und wird hier in Shakespeares "Maß für Maß" zu sehen sein (Regie: Thomas Ostermeier).
Bregenzer Festspiele
Der Autor Roland Schimmelpfennig ist heuer sowohl in Salzburg als auch bei den Bregenzer Festspielen vertreten. In Salzburg zeigt man die Uraufführung seines Stückes "Die vier Himmelsrichtungen", in Bregenz ist "Peggy Picklit sieht das Gesicht Gottes" zu sehen. Zum ersten Mal zu Gast in Bregenz ist heuer das Schauspielhaus Wien, und auch wir werden erstmals mit dem Kulturjournal in Bregenz live an Ort und Stelle sein und vor Publikum senden (20. und 21. 7.). Das Schauspielprogramm steht in Bregenz ja immer ein wenig im Schatten der großen Opernproduktionen.
Als Spiel auf dem See erwartet uns heuer dort Umberto Giordanos "André Chénier". In Bregenz steht 2014 ein Intendantenwechsel bevor, nachdem David Pountney nur noch bis 2013 zur Verfügung steht.
Bayreuth
Wohl nirgends in der Geschichte der europäischen Festspiele war ein Intendantenwechsel so kompliziert, erkämpft und langwierig wie in Bayreuth. Seit dem Ableben von Wagner-Enkel Wolfgang Wagner ist der Grüne Hügel seit 2009 nun fest in den Händen seiner Töchter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner. Obwohl die Festspiele heuer zum 100. Mal stattfinden, soll erst 2013 gefeiert werden, denn da jährt sich Richard Wagners Geburtstag zum 200. Mal, sein Todestag zum 130. Mal.
Der schwedische Tenor Lars Cleveman gibt heuer mit dem Tannhäuser heuer sein Bayreuth-Debüt. Bei der Interpretation seiner Rolle will er auf seine Erfahrung als Rockmusiker und Songschreiber zurückgreifen.
Glyndebourne Festival
Auch beim Glyndebourne Festival im englischen Sussex setzt man heuer wieder auf Wagner und zeigt unter anderem "Die Meistersinger von Nürnberg" in der Regie von David McVicar. Dank unserer Korrespondent/innen und freien Mitarbeiter/innen sind wir dort ebenso vertreten wie beim Festival in Edinburgh oder in Avignon.
Savonlinna und Drottningholm
Auch in Skandinavien haben wir mit unserer Kollegin Hildburg Heider eine ausgewiesene Opernspezialistin, die von den Opernfestspielen im finnischen Savonlinna und im schwedischen Drottningholm berichten wird. Von dem Flair dieses ältesten noch bespielten Barocktheaters in Drottningholm konnte ich mich vor einigen Jahren selbst überzeugen. Das Theater wurde 1991 in die Liste des Welterbes der UNESCO aufgenommen und gehört zum Schlosskomplex Drottningholm auf einer Insel am Mälarnsee.
Die Bühnenmaschinerie des 1766 errichteten Theaters ist ein Meisterwerk schlichter Funktionalität; aus Holz und von Hand betrieben, funktioniert sie bis heute. Beim Drottningholm Festival ordnet sich der Regisseur dem Theater unter. Man verwendet historische Kostüme, Kulissenprospekte aus dem 18. Jahrhundert und setzt auf Originalklang. Heuer spielt man dort unter anderem Mozarts "Don Giovanni" sowie "Cosí fan tutte".
Wenn der Sommer dann vorbei ist, werden die Musen wieder in ihre vertrauten Tempel zurückkehren, die Schauspieler/innen in ihre angestammten Häuser, die Zuschauer in ihre weichen und bequemen Plüschsessel und die Journalisten in ihre Redaktionen. Doch bis dahin liegt noch ein langer und spannender Festspielsommer vor uns.