Medienexperte Mikunda über "7 Tage Ö1"
Die Lust am Nachhören
Sein Leben hätte sich mit "7 Tage Ö1" verändert, so der Medienexperte Christian Mikunda. Sein Leben soll heißen: sein Alltag mit dem Radio. Denn jetzt könne er die geliebten Sendungen, die er aus Zeitgründen nicht mehr hören konnte, nachhören.
8. April 2017, 21:58
Interview mit Christian Mikunda
Er benutze das Radio auf einmal ganz anders, so wie damals, als er sich als Bub mit dem Kassettenrekorder seine eigenen Musiksampler zusammengestellt hat.
Gefragter Berater und Trainer
Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Mikunda, der lange Zeit große Medienunternehmen beraten, dann sich für das Marketing von Shopping Malls interessiert hat, ist inzwischen auf der ganzen Welt ein gefragter Berater und Trainer, wo es um Marketing oder um das geht, was er in seinem Buch "Der verbotene Ort" "strategische Dramaturgie" genannt hat.
Mit dem begeisterten Votum, er benutze durch die Möglichkeit des so genannten Radio on demand nun Radio ganz anders, verweist Mikunda auf die längst übliche höhere Aktivität der Menschen gegenüber den so genannten Medien bzw. der Hörer gegenüber dem Radio. Wir haben eine extrem hohe "Media Literacy", eine hohe Fähigkeit, Medien für unsere Bedürfnisse einzusetzen. Das heißt zum Beispiel, sich selbst eine Radioinformation oder Musiksendung je nach Tageszeit und Befindlichkeit zusammenzustellen.
Schaffen wir damit das Radio ab?
Schaffen wir das Radio als ein dramaturgisch gestaltetes "Gegenüber", das eine Zeitstruktur vorgibt, das seinen eigenen Aufbau hat - schaffen wir diese Art des "Radiohörens" ab? Mikunda verneint energisch. Es gebe zwar die hohe "Media Literacy", die höhere Aktivität durch die Möglichkeiten des Internet, aber daneben gibt es nach wie vor die passive Medienrezeption, das "Medium" als "Nabelschnur": "Man sitzt jemandem gegenüber, mit dem man sich wunderbarerweise nicht auseinandersetzen muss."
Aber die Spannungsbögen sind kleiner geworden, die Erwartungen der Zuschauer und Hörer ungeduldiger und fachkundiger. Journalistische Fernseh- oder Radiobeiträge sind heute wesentlich kürzer als noch vor 20 Jahren (einzige Ausnahme, so Mikunda: Natur- und Tiersendungen wie "Universum").
Killt Internet das Radio?
Auch historisch betrachtet der Medienwissenschaftler, der mit vielen Erkenntnissen und Begriffen der empirischen Psychologie hantiert, die Entwicklung des "alles on demand" gelassen. Als der Film entstanden ist, hätten alle um den Fortbestand des Theaters gebangt, aber der Film hat das Theater nicht abgeschafft. Als das Fernsehen aufkam, hat man wiederum um den Film gebangt, aber auch der wurde von dem neuen Medium nicht abgeschafft. Und so sei es auch mit dem Internet im Verhältnis zu den "alten Medien" wie Radio oder Fernsehen.
Wir seien nämlich einerseits fasziniert von Musikern und Musikerinnen oder anderen Bühnenstars, deren Kunst wir mehr denn je verfügbar haben, andererseits aber fasziniert uns ebenso der Mentor, der Vermittler, der etwas weiß und zwischen unserem kulturellen Umfeld und dem kulturellen Produkt vermittelt.
Das Hochgefühl der Bravour
Wo es um die Bravour und Raffinesse geht (eine der sieben menschlichen Hochgefühle nach Mikundas Theorie), genießen wir zwei emotionale Haltungen: Wir bewundern einen "Meister" oder wir sitzen einem Mentor gegenüber, der uns den Blick öffnet für die Welt. Diese Vermittler seien, so Mikunda, um so wichtiger, je mehr wir "diese Welt" in kleinen Häppchen verfügbar haben, durch digitale Medien, die wir überall und immer mit uns herumtragen.
Das sei auch der Grund, warum moderierte Musiksendungen beliebter sind als unmoderierte: Neben der Faszination gegenüber der Musik gibt es auch die Faszination gegenüber dem, der etwas weiß und etwas von seinem Wissen zeigt. Diese Lust sei mit der "Denklust" verwandt, wenn wir etwa Kreuzworträtsel lösen, also herausbekommen, was ein anderer denkt oder weiß.
Mute-Management oder emotionale Gebrauchsanweisung
Aber der Journalist oder Moderator als Mittler gibt nicht einfach nur Wissen weiter. Gerade im Falle der Musik gibt er eine Art "emotionaler Gebrauchsanweisung", so Mikunda. In der Flut der verfügbaren Musikaufnahmen, -stile und -genres seien wir dankbar, wenn uns "jemand bei der Hand nimmt" (auch wenn wir das nur ungern zugeben).
Dem gegenüber gibt es aber auch den anderen, den aktiven Hörer oder Rezipienten, den der Media Literacy, der sein eigener Vermittler ist.
Mikunda: "Wenn wir mit dem iPod am Strand entlang laufen, dann machen wir das, wegen des emotionalen Gesamterlebnisses, das wir dadurch haben wollen. Auch die Komponisten haben nicht immer 'reine Musik' gehört, sondern sie haben immer ein emotionales Gesamterlebnis dabei im Auge gehabt, das durch kompositorische, musikalische Mittel aufgebaut wird. Warum sollen wir also nicht, so wie die Komponisten, das Stück für uns zu Ende komponieren, indem wir es in einer bestimmten emotionalen Situation strategisch für uns einsetzen."
Service
Christian Mikunda, "Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung" Redline Wirtschaft
Christian Mikunda, "Warum wir uns Gefühle Kaufen. Die 7 Hochgefühle und wie man sie weckt", Econ Verlag
Christian Mikunda
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