Deutscher Buchhandel ehrt algerischen Autor
Friedenspreis an Boualem Sansal
Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal erhält den Friedenspreis 2011 des Deutschen Buchhandels. Dies teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Berlin zur Eröffnung der Buchtage mit.
1. Jänner 2024, 13:55
Damit solle ein Zeichen für die Demokratiebewegung in Nordafrika gesetzt werden, erklärte Vorsteher Gottfried Honnefelder. Der renommierte Kulturpreis, der mit 25.000 Euro dotiert ist, wird seit 1950 vergeben. Die Auszeichnung wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 16. Oktober überreicht.
Leidenschaftlicher Erzähler
Mit Sansal werde ein Autor geehrt, "der als leidenschaftlicher Erzähler, geistreich und mitfühlend, die Begegnung der Kulturen in Respekt und wechselseitigem Verstehen befördert", heißt es in der Begründung des Stiftungsrats. Der 61-Jährige, dessen Bücher in Algerien auf den Index gesetzt wurden, gehöre zu den wenigen im Land verbliebenen Intellektuellen, die offen Kritik an den politischen und sozialen Verhältnissen übten. "Mit seinem hartnäckigen Plädoyer für das freie Wort und den öffentlichen Dialog in einer demokratischen Gesellschaft tritt er gegen jede Form von doktrinärer Verblendung, Terror und politischer Willkür auf."
Der in einem Bergdorf aufgewachsene Sansal war als Ökonom in leitender Stellung in der algerischen Regierung tätig. Erst 1999 veröffentlichte er in Frankreich unter dem Eindruck des Bürgerkriegs in seinem Land seinen ersten Roman "Der Schwur der Barbaren", der 2003 auf Deutsch erschien. In der Folge wurde Sansal in Algerien im Ministerium beurlaubt und später entlassen. Er lebt trotz wachsenden politischen Drucks weiter in seinem Heimatland.
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"Preis kommt zum richtigen Zeitpunkt"
Für den algerischen Autor Boualem Sansal kommt der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels "genau zum richtigen Zeitpunkt". "Die Menschen in den arabischen Ländern kämpfen gerade für die Freiheit - und der Frieden ist für sie die Freiheit", sagte Sansal in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview von "boersenblatt.net", der Online-Ausgabe des Fachorgans des Deutschen Buchhandels. "Für mich und für uns ist das (die Auszeichnung) toll".
Sansal beklagte die fehlende Solidarität des Westens mit der Demokratiebewegung in seinem Land: "Im Augenblick unterstützt uns hier in Algerien niemand. Die westlichen, demokratischen und freien Länder haben vor allem die Diktaturen unterstützt. Sie glauben nicht an diese Völker. Sie behaupten, die Völker des Südens, die Araber, die Schwarzafrikaner, seien nicht reif für die Freiheit", kritisierte der algerische Intellektuelle.
Historische Schuld
Es seien jedoch diese Länder gewesen, die sich im Kampf gegen die Länder des Nordens von der Kolonisierung befreit hätten. "Es gibt eine historische Schuld der westlichen Länder, und es ist deshalb kein Wunder, dass sie Realpolitik betreiben und mit den Diktaturen zusammenarbeiten."
Was jetzt in Ägypten und anderen Ländern der arabischen Welt geschehe, habe in Algerien bereits 1988 begonnen. Nach den Demonstrationen damals seien jedoch alle Freiheiten von der Staatsgewalt wieder zurückgenommen worden. "Für Ägypten heißt das: Wenn die Bürger nicht wachsam sind, kehren die Kräfte des alten Regimes wieder zurück." Die Unterstützung der EU und der UNO sei daher auch wichtig.
Warnung vor Nationalismus
Sansal warnte zugleich vor dem arabischen Nationalismus, der den regierenden Diktatoren nur als neue Form der Legitimation diene. "Die Nationalisten sagen, der Westen hat uns abgehängt, daher müssen wir uns vereinigen. Aber auch das geht nicht auf, weil es niemanden gibt, der der Kopf dieser Bewegung sein könnte. Also richtet man seinen Blick lieber auf die Feinde der Nation - die Christen oder Israel beispielsweise."
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Der seit 1950 vergebene Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen des Landes. Geehrt wird damit eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Verliehen wird die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem Dachverband der deutschen Buchbranche. Überreicht wird der Preis zum Ende der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche, wo 1848 die für die demokratische Entwicklung Deutschlands bedeutende Nationalversammlung tagte.
Die Preisträger werden von einem Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit gewählt. Der Rat setzt sich aus Mitgliedern des Börsenvereins sowie Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft zusammen. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Albert Schweitzer (1951), Hermann Hesse (1955), Astrid Lindgren (1978), Siegfried Lenz (1988), Vaclav Havel (1989), Mario Vargas Llosa (1996) oder Orhan Pamuk (2005). Im vergangenen Jahr ging der Preis an den israelischen Autor David Grossman.
Um Preisverleihungen hat es wiederholt Auseinandersetzungen gegeben. So war 1995 das Votum für die Orientalistin Annemarie Schimmel umstritten, der Kritiker mangelnde Distanz zu fundamentalistischen Positionen des Islams vorwarfen. Eine Kontroverse löste als Laudator Günter Grass aus, als er 1997 in seiner Rede auf den türkischen Preisträger Yasar Kemal die deutsche Kurdenpolitik kritisierte. 1998 entbrannte nach der Rede des Preisträgers Martin Walser eine monatelange Diskussion über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Deutschland.