Österreich säumig
Sanierung jüdischer Friedhöfe überfällig
Österreich hat sich im Washingtoner Abkommen von 2001 verpflichtet, die jüdischen Gräber im Land zu sanieren und zu pflegen. Bewegung gibt es allerdings wenig. Kein Geld gibt es nach wie vor für den besonders großen und besonders sanierungsbedürftigen Währinger Jüdischen Friedhof in Wien.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.06.2011
Keine Nachkommen
Die Sanierung der jüdischen Gräber ist notwendig, weil es keine Familien mehr gibt, die das tun könnten: die Nationalsozialisten haben fast alle österreichischen Juden vertrieben oder ermordet. Erfüllt hat Österreich seine Pflicht zur Pflege der immer mehr verfallenden jüdischen Friedhöfe bisher nicht. Anfang der Woche wurden allerdings zum ersten Mal konkrete Förderungen für zwei sanierungsbedürftige jüdische Friedhöfe beschlossen: in Deutschkreutz im Burgenland und in Stockerau in Niederösterreich. Kein Geld gibt es nach wie vor für den besonders großen und besonders sanierungsbedürftigen Währinger Jüdischen Friedhof in Wien.
Verwilderter Park
Eine lange Mauer aus unverputzten Ziegeln an der Grenze der Wiener Bezirke Währing und Döbling. Mittendrin ein Tor aus einfachen Brettern, die Farbe längst ausgebleicht.
Der erste Blick dahinter zeigt hohe Linden, Ahorn und Eschen, dazwischen wuchern Haselnuss-, und Hollunderstauden, wachsen Efeu und hohes Gras. Es sieht hier aus wie in einem alten, verwilderten Park.
Der zweite Blick - zeigt Grabsteine, dicht an dicht im Gebüsch. Manche aufrecht, viele schief, unzählige umgestürzt. Der Friedhof liegt unmittelbar außerhalb des Gürtels, das sagt die Historikerin Tina Walzer.
Öffentlich nicht zugänglich
Öffentlich zugänglich ist dieser Friedhof nicht. Es gibt keine Wege zwischen den Grabreihen, dichtes Unkraut verbirgt offene Grüfte und gebrochene Steinplatten. Grabdenkmäler, oft mehrere Meter hoch im Gestrüpp, drohen umzustürzen. Was hier die Nationalsozialisten nicht zerstört haben, das bedroht nun die Natur. Die Inschriften hier sind auf Deutsch oder Hebräisch, bekannte Namen gibt es zu entdecken - Arnstein-Eskeles, Wertheimber, Todesco zum Beispiel.
Neben hunderten einfachen Grabsteinen finden sich aufwändige kleine Mausoleen aus Sandstein, orientalisch geschmückt, genauso wie Obelisken, Stelen, griechische Säulen - fast alles verfallen, eingestürzt, überwachsen. Kaum etwas hier ist unversehrt - aber vieles ist kulturhistorisch wertvoll, sagt Tina Walzer.
Zusage Wiens fehlt
An sich ist vereinbart, dass der Bund über den Nationalfonds für die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich eine Million Euro jährlich zahlt. Konkret zugesagt ist bisher Geld für die jüdischen Friedhöfe in Deutschkreutz und in Stockerau, weil sich beide Gemeinden dazu bereit erklärt haben, nach der Instandsetzung weiter für die Erhaltung zu sorgen. In Wien -und damit für den Währinger Jüdischen Friedhof - gibt es so eine Zusage bisher nicht.