Lina Ben Mhenni ist "A Tunesian Girl"

Vernetzt Euch

Wie aus dem Nichts gingen in Tunesien Ende des vergangenen Jahres plötzlich Menschen zu Tausenden auf die Straßen und protestierten gegen einen Diktator, der seit 23 Jahren nahezu unangefochten an der Macht war. Und erstmals spielten dabei Blogs und Netzwerke wie Facebook und Twitter eine zentrale Rolle.

Lina Ben Mhenni war eine der Internetaktivistinnen, die mithalfen den tunesischen Diktator Ben Ali zu vertreiben. Ihr Blog "A Tunesian Girl", "ein tunesisches Mädchen", wurde von Medien weltweit als Nachrichtenquelle zitiert.

Wie alles begonnen hat

In ihrem Buch "Vernetzt Euch" erzählt die 27 jährige Uni-Dozentin nun die Geschichte der Cyber-Rebellion. Und die begann eher zufällig, erinnert sich Lina Ben Mhenni: "Ich habe eher zufällig in einer Zeitschrift gelesen, was bloggen bedeutet. Ich wollte schon immer ein Buch schreiben, hatte in Tunesien aber keine Gelegenheit dazu. Im Internet konnte ich meine Gedanken zum ersten Mal veröffentlichen. Zuerst schrieb ich über Kultur, die Liebe oder auch Gedichte. Im Jahr 2008 gab es dann die ersten Aufstände in Südtunesien. Die tunesischen Blogger haben darüber geschrieben und die Repressionen des Regimes angeprangert. Ich habe mich dieser Bloggerbewegung angeschlossen."

Gesellschaftlicher Lernprozess

Als Ihre Freundin Fatma, ebenfalls eine Bloggerin, verhaftet wurde, gründete Lina Ben Mhenni innerhalb einer Stunde eine Facebook Gruppe und einen Twitter Account. Weltweit beteiligten sich Blogger an ihrer Kampagne "Ich bin Fatma". Tausende Menschen auf allen Kontinenten protestierten gegen die ungerechtfertigte Festnahme und Fatma wurde schließlich wieder frei gelassen.

"Mein Vater dachte zuerst, ich sei verrückt, so ein Risiko im Internet einzugehen", erinnert sich Lina Ben Mhenni. "Er dachte, das wird nichts ändern. Als wir dann aber die große Demonstration im Mai 2010 organisiert hatten, verstand er die Bedeutung des Internet, genauso wie die Mehrheit der Tunesier. Es war das erste Mal, dass wir Leute überzeugten, den virtuellen Protest in die reale Welt zu übertragen."

Virtuelle und reale Kämpfe

Lina Ben Mhenni beschreibt, wie die Geheimpolizei die Blogger einzuschüchtern und auszuschalten versuchte. Bei einem Einbruch in die Wohnung ihrer Eltern wurden ihre beiden Laptops gestohlen, ebenso ihre Videokamera und ihr Fotoapparat. Aus dem virtuellen Kampf im Netz entwickelten sich Straßenschlachten. Als sich Lina Ben Mhenni per Facebook mit rund 20 anderen Internet Aktivistinnen zu einer Demo verabredet hatte, beteiligten sich völlig unerwartet Tausende am Protest. Die Selbstverbrennung eines Arbeitslosen ließ schließlich viele ihre Angst vergessen. Der Massenaufstand war nicht mehr aufzuhalten: "In den ersten zwei Tagen, nachdem sich Mohammed Bouazizi selbst verbrannt hatte, gingen die Menschen spontan auf die Straßen. Weder politische Parteien noch Gewerkschaften hatten das organisiert. Die Menschen waren einfach wütend. Die Polizei ging mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Fast 100 Menschen wurden getötet. Da war mir klar, dass es wirklich eine Revolution ist und die letzten Stunden des Regimes gekommen sind."

Eine kleine Geschichte der Revolution

Das Buch "Vernetzt Euch" will nicht die ganze Geschichte der tunesischen Revolution erzählen. Geschrieben in kurzen Episoden, wie die einzelnen Beiträge eines blogs, beschreibt die Autorin aus sehr persönlicher Perspektive wie sie, ihre Freunde und ihre Familie die politische Umwälzung erlebt haben. Und die Cyber-Aktivistin lässt keinen Zweifel daran, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist: "Ich versuche Bloggern in anderen Ländern zu helfen, indem ich die Erfahrungen der Revolution weiter gebe. Ich habe Kontakte zu Bloggern in Syrien, Ägypten, Libyen und dem Jemen. "

Lina Ben Mhenni schreibt ihre Gedanken und Erlebnisse in Tagebuchform nieder. Sie fordert dazu auf, sich selbst politisch zu engagieren und andere bei Ihrem Kampf um Freiheit und Demokratie zu unterstützen. Der Titel ihres Buchs "Vernetzt Euch" ist zugleich ihr Kredo: "Wenn ihr wollt, das sich die Welt verändert, verbreitet die Wahrheit."

Gestaltung: Jutta Schwengsbier