Ö1 bis zwei - le week-end auf Sommerreise

Reisemusik für Außerirdische

Zu einem Wochenendausflug der besonderen Art lud "le week-end" in den Jahren 2010 und 2011. Elke Tschaikner und Christian Scheib folgten den Voyager-Sonden, die die exklusivste Goldene Schallplatte der Welt transportieren.

Goldene Schallplatte

NASA

Mit diesen Bild- und vor allem Tondokumenten stellen wir uns bei den Außerirdischen vor, mit Musik - von Johann Sebastian Bach bis Chuck Berry, von Australien bis Zaire.

Wir hören nach, womit sich die Menschen bei den Außerirdischen musikalisch vorstellen wollten, als die NASA 1977 die Voyager-Sonden ins All sandte. Die Zusammenstellung dieser Goldenen Schallplatte, sollte irgendein Außerirdischer sie nun gerade auflegen und die ersten Musikstücke hören, beginnt mit Johann Sebastian Bach, Musik für den Köthener Hof, aus einem Brandenburgischen Konzert also, gefolgt von Gamelanmusik für einen javanesischen Hof.

Vergoldete Kupferscheiben

Es handelt sich um 30 Zentimeter große vergoldete Kupferscheiben, je eine davon ist an der Außenseite der Weltraumsonden angebracht, zum Abnehmen und Auflegen sozusagen. Damit die außerirdischen Intelligenzen wissen, wie das geht, befindet sich auf der Platte eine grafische Gebrauchsanweisung - und eine kleine Formel, mit der sich die Plattenumdrehungsgeschwindigkeit von der Pulsationsgeschwindigkeit eines Wasserstoffatoms hochrechnen lässt. Denn die sollten außerirdische Intelligenzen schon kennen, damit auch ein Initiationssong der Pygmäenmädchen in über 17 Milliarden Kilometer Entfernung so klingt, wie er klingen soll.

Fein selektiertes Sammelsurium

Sollten wirklich irgendwann Aliens die Goldene Platte zu hören bekommen, dann haben sie durch das von der NASA erstaunlich fein selektierte Sammelsurium einen weiteren musikalischen Horizont als die meisten Erdenbewohner. Im außerirdischen Musiksalon befindet sich beispielsweise Mariachi-Musik aus Mexiko. Erstaunlich zurückhaltend war die NASA mit amerikanischer Popularmusik. Ganz wenig Einschlägiges schaffte es in die Auswahl - immerhin die verzerrte Gitarre des Chuck Berry.

Dass Pop und Jazz nur sparsam vertreten sind, hatte durchaus nicht nur mit den Musikverantwortlichen zu tun. Ursprünglich war geplant, die Musikliste nicht mit Bach, sondern mit "Here Comes the Sun" von den Beatles zu eröffnen. Paul McCartney und John Lennon waren damit auch einverstanden, aber sie hatten damals schon die Rechte an ihren Songs abgegeben - und die verantwortliche Plattenfirma entschied sich, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, gegen das extraterrestrische Abenteuer.

Auch Moskau machte mit

Politisch korrekt, ließ das Voyager-Team der NASA auch Radio Moskau bei der Musikauswahl mitmachen. Und das 1977. So viel Weitblick und politische Correctness hatte man doch; man ahnte wohl, dass der Kalte Krieg weniger lang dauern würde als die interstellare Reise der Voyager-Sonden. Radio Moskau lieferte georgische Gesänge für Männerchor. Russisch, aber nicht sowjetrussisch, sondern russisch-französisch und mit einem kühnen Ausflug an den Anfang des 20. Jahrhunderts setzt diese Schallplatte wenig später fort. Damit die Außerirdischen auch etwas vom Aufbruch ins 20. Jahrhundert spüren können: "Sacre du Printemps" von Igor Strawinsky. Der Komponist selbst dirigiert. Knapp fünf Minuten rural-irdisch-heftiger Rituale für extraterrestrisch furchtlos Neugierige.

Vier Menschen wählten für die NASA gemeinsam das Musikprogramm aus: der Wissenschafter Carl Sagan und seine Frau Linda, die Schriftstellerin Ann Druyan und der Wissenschaftsautor Timothy Ferris.

116 Bilder mitgeschickt

Auf jenen Datenplatten, die mit den Voyager-Sonden im Weltraum unterwegs sind, können die Außerirdischen nicht nur Musik und Text, sondern auch Bildmaterial finden. Es sind 116 Bilder: mathematische Definitionen, Sonnensystemparameter, DNA-Struktur, Bilder von der Anatomie des Menschen, menschliche Geschlechtsorgane, Diagramme eines 20-jährigen Mannes (160 cm groß) und einer gleichaltrigen schwangeren Frau (155 cm), stillende Mutter mit Säugling, Diagramm der Kontinentalverschiebung der Erde.

Monument Valley und Ziegenherde im Vordergrund, fliegendes Insekt mit Blumen, Fischschwarm mit Taucher im Hintergrund, Tänzerin aus Bali, asiatischer Arbeitselefant, Sprinter (und zwar - von wegen Kalter Krieg - Walerij Borsow aus der UdSSR in Führung beim 200-Meter-Lauf während den Olympischen Sommerspiele 1972), chinesisches Abendessen, Wohnhäuser aus verschiedenen Weltgegenden, ein Flugzeug kurz nach dem Start, ein amerikanischer Astronaut beim Weltraumausstieg. Und: zuerst ein Streichquartett, dann eine Violine mit einem Notenblatt. Das letzte Musikstück der Kompilation scheint damit zu korrespondieren: Ludwig van Beethoven, immerhin Opus 130.