Verwicklung in Abhörskandal

Londons Polizeichef tritt zurück

Die Abhöraffäre um das mittlerweile eingestellte Boulevardblatt "News of the World" bringt jetzt auch den angesehenen Londoner Polizeichef Paul Stephenson zu Fall. Der ranghöchste Polizist Großbritanniens erklärte am Abend überraschend seinen Rücktritt. Seine Beamten waren in den Skandal verwickelt.

Morgenjournal, 18.7.2011

Bettina Madlener

"Schändliche Praktiken"

Sie sollen Ermittlungen hinausgezögert, Informationen an "News of the World"-Reporter verkauft haben, und jetzt wurde bekannt, dass einer der Verdächtigen in der Affäre sogar für Scotland Yard als PR-Berater arbeitete. Stephenson will durch seinen Rücktritt sicherstellen, dass die Exekutive nun den größten Spitzelfall in der britischen Presse ungehindert aufklären kann.

Mit dieser Entwicklung im Abhörskandal hätte niemand gerechnet. Der sehr beliebte und als integer geltende Stephenson geht, um seinen Ruf und den der Polizei nicht zu beschädigen, wie er sagt: "Ich wusste nichts über das Ausmaß dieser schändlichen Praktiken oder über die widerliche Art der Opferauswahl."

Scotland Yard steht nicht gut da

Stephenson mag nichts von den Vorgängen gewusst haben, aber seine Leute hatten bisher bei den Ermittlungen keine gute Figur gemacht. Man habe zu lange gezögert, dem Ausmaß der Bespitzelungen durch Sensationsreporter von "News of the World" nachzugehen, Beamte hätten die Ermittlungen bewusst verzögert und Informationen an die Presse verkauft, so die Vorwürfe.

Die neue Enthüllung, dass Scotland Yard den ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur von "News of the World", Neil Wallis, als PR-Berater engagiert hatte, war für Stephenson offenbar zu viel. Wallis wurde vergangene Woche festgenommen, er wird verdächtigt, an den Abhöraktionen beteiligt gewesen zu sein.

Innenministerin bedauert

Die britische Innenministerin Theresa May sagte, sie bedauere die Entscheidung des Polizeichefs zutiefst, und dankte ihm für seine Arbeit.
"Obwohl wir durch aktuelle Ereignisse sehen, dass es noch immer ernste Probleme gibt, ist die Polizei unter seiner Führung einsatzstärker geworden", sagte May.

Downing Street reagiert verwundert auf diese neue Entwicklung, das Pressebüro von Premierminister David Cameron betont, Stephenson sei nicht zu diesem Schritt gezwungen worden. Der Rücktritt ist ein Versuch der Schadensbegrenzung auf höchster Ebene in der Exekutive, die Frage ist: Wer in der Führungsriege muss als nächstes wegen seiner Beziehungen zur Presse gehen?