Ein Kommentar von Kristina Pfoser
Longlist - Shortlist - Buchpreis
Der Countdown hat längt begonnen: Longlist - Shortlist - Buchpreis. Am 10. Oktober 2011 ist es so weit: Am Vorabend der Frankfurter Buchmesse wird in Frankfurt der Gewinner des Deutschen Buchpreises bekannt gegeben.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 14.09.2011
Das sind sie also: die laut Jurybeschluss sechs besten des Jahres 2011. Mit dabei: Die Österreicherin Marlene Streeruwitz, die mit ihrem vor wenigen Tagen erschienen "Die Schmerzmacherin." nominiert wurde. Sie tritt an gegen Sibylle Lewitscharoffs Philosophieroman "Blumenberg", "Das Mädchen" von Angelika Klüssendorf, "Wunsiedel" von Michael Buselmeier und gegen zwei Debütromane: Eugen Ruges "In Zeiten des abnehmenden Lichts" und "Gegen die Welt", einen 900-Seiten-Nachwende-Roman von Jan Brandt. Streeruwitz und Lewitscharoff - das lässt sich wohl sagen - sind die einzigen renommierten Namen auf dieser Liste.
Schon die Longlist hat - gelinde gesagt - Erstaunen ausgelöst. Kein Juror, keine Jurorin, die Gerhard Roths "Orkus", den viel gelobten Abschluss seiner monumentalen Romanzyklen zu würdigen wusste? Niemand, der die poetische Qualität von Ilija Trojanows "Eistau" erkannte? Oder der sich für "Jachymov" begeisterte, für Josef Haslingers packende Geschichte über den tschechischen Eishockey-Torwart Bohumil Modry? Was ist mit Christoph Hein oder mit Richard Wagner, der zu Jahresbeginn seinen viel beachteten Roman "Belüge mich" vorgelegt hat? Eine Fragenliste zur Longlist.
"Um das endgültige Ergebnis haben wir einen Tag lang hart gerungen", sagte Jurysprecherin Maike Albath, Journalistin bei Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur. Dass die beiden Long-Gelisteten Wilhelm Genazino und Navid Kermani bei diesem Ringen auf der Strecke geblieben sind, ist schwer nachzuvollziehen.
Wie geht man mit den Stars um? Mit dieser Frage haben sich die diversen Buch-Preis-Jurys offenkundig immer schon schwer getan. Martin Walser, Friederike Mayröcker und Daniel Kehlmann etwa waren in den vergangenen Jahren nominiert, für einen Preis hat es dann nicht gereicht. Der anno 2008 nominierte Peter Handke hatte erklärt, er wolle zugunsten der anderen Gelisteten, vor allem der jüngeren, zurücktreten. Und im Jahr darauf fand sich mit Herta Müller unversehens eine Nobelpreisträgerin auf der Shortlist - das Nobelpreiskomitee war der Buchpreis-Jury zuvorgekommen.
Schließlich geht es ja nicht nur darum, den besten Roman auszuzeichnen, sondern auch um ein Marketinginstrument. Longlist, Shortlist, Hotlist, Bestenliste, Bestsellerliste - ohne Listen geht gar nichts mehr. Schließlich kommen über 100.000 Neuerscheinungen jährlich auf den Markt. Das Titelkarussell dreht sich immer rasanter.
Die sogenannten großen Neuerscheinungen, allesamt als Bestseller angekündigt, werden mittlerweile wie Filmpremieren präsentiert, Erstverkaufstage als Medienevents inszeniert - mit Reportagen und Interviews, Porträts und Rezensionen, Fotos und Inseraten. Und nach kurzer Zeit verschwindet der Titel wieder aus den Buchhandlungen, das heißt der Lebenszyklus der Bücher nimmt rapide ab, die Jahreszahl im Buch wird oft als Ablaufdatum gelesen. Wer kann sich eigentlich noch an die Buchpreisträger der vergangenen Jahre erinnern? Wie auch immer - in ein paar Wochen gibt es einen neuen, eine neue. Dann ist es wieder da: das Buch, das man lesen muss.