"The Turn of the Screw" mit dem RSO
Jubel für Britten-Oper
Benjamin Brittens "The Turn of the Screw" feierte am Mittwoch, 14. September 2011 im Theater an der Wien eine umjubelte Premiere. Regie führt der Kanadier Robert Carsen, zu hören ist das ORF-Radiosymphonieorchester in Kammerbesetzung unter der Leitung von Cornelius Meister.
8. April 2017, 21:58
Die 1954 uraufgeführte Kammeroper basiert auf der gleichnamigen Novelle von Henry James. Österreich 1 überträgt "The Turn of the Screw" am kommenden Samstag um 19:30 Uhr.
Kultur aktuell, 15.09.2011
Moderne Geistergeschichte
Klaustrophobie, Zweideutigkeit und anhaltende Spannung: Mit "The Turn of the Screw" schuf der Komponist Benjamin Britten eine moderne Geistergeschichte für die Opernbühne - und zugleich ein musikalisch hochkomplexes Werk. Als Vorlage diente ihm eine Erzählung von Henry James: Eine junge, naive Frau soll zwei Waisenkinder in einem verlassenen Landsitz großzuziehen.
Zunächst erfüllt sie ihren Auftrag eifrig und führt ein strenges Regiment. Doch bald erscheinen mysteriöse Gestalten: Es sind die Geister ihrer toten Vorgänger - sie wollen, zumindest in der Vorstellung der Gouvernante, die Seelen der beiden Kinder rauben.
Verlust der Unschuld
Die Ambivalenz des Bösen und der Verlust der Unschuld - solche Themen haben Benjamin Britten zeitlebens beschäftigt. Und so wird auch in "The Turn of the Screw" bis zuletzt nicht klar, ob die Geister real sind - oder doch nur der Vorstellung der besitzergreifenden Gouvernante entspringen, die von Verlustängsten geplagt wird.
Um genau diese Zweideutigkeit ging es auch dem kanadischen Regisseur Robert Carsen in seiner Inszenierung des Werks im Theater an der Wien.
Die Handlung lasse vieles offen, so Carsen: Man wisse bis zum Schluss nicht, ob die Geister wirklich existieren. Das sei in der Oper natürlich schwieriger, da die Geister hier nicht nur erscheinen, sondern auch singen.
Filmästhetik auf der Bühne
Carsen, der auch für Ausstattung und Licht verantwortlich zeichnet, hat Brittens Werk sehr stimmig in der Ästhetik alter Filme inszeniert und dafür viel Zustimmung geerntet. Bejubelt wurde aber auch Sopranistin Sally Matthews in der Hauptrolle: Sie brilliert gesanglich und verkörpert eine ebenso naive wie komplexbeladene Gouvernante.
Gerade einmal 90 Minuten dauert "The Turn of the Screw" und beinhaltet dabei nicht weniger als 16 Szenen. So dicht wie die Handlung ist aber auch die Musik in dieser Oper. Britten zeigte sich hier einmal mehr als Meister der Reduktion: Das Werk ist mit nur sechs Sängern und dreizehn Orchestermusikern besetzt.
Musik voller Gefühl
Eine der seltenen Gelegenheiten, die Musiker des ORF-Radiosymphonieorchesters auch einmal als Solisten zu erleben, meint dessen Leiter Cornelius Meister: "'The turn of the Screw' hat die Besonderheit, dass es einerseits wirklich in Zeitgenössischer Musik geschulte Musikerinnen und Musiker erfordert, andererseits darf diese Musik niemals im schlechten Sinne modern klingen, sondern sie muss voller Gefühl, voller Emotion musiziert werden. Manchmal gerät die moderne Musik in den Verdacht, dass das sie nur strukturell gedacht wäre und überhaupt gar nichts mit Emotionen zu tun hätte. Gerade dieser Britten wiederlegt dieses Vorurteil."
Heftiger Jubel
Gut neun Jahre, nachdem Luc Bondy diese Oper überaus erfolgreich für die Wiener Festwochen inszeniert hat, ist Brittens "The Turn of the Screw" nun nach Wien zurückgekehrt - und wurde gestern im Theater an der Wien heftig bejubelt.