Aufschwung nach dem Abschwung

Island nach der Krise

Island war eines der ersten Opfer der Finanzkrise. Im Herbst 2008, als von drohenden Staatspleiten in der Eurozone noch keine Rede war, ist Islands Bankensystem zusammengebrochen und hat das Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt. Damals wurden Beitrittsverhandlungen mit der EU aufgenommen, EU und Euro erschienen als Rettungsanker. Heute erholt sich Islands Wirtschaft wieder.

Von der EU will, nicht zuletzt aufgrund der Schuldenkrise, kaum mehr jemand in Island etwas wissen.

Mittagsjournal, 01.10.2011

Politik will EU-Beitritt

Island, die Insel im Nordatlantik mit knapp 320.000 Einwohnern, wünscht sich dauerhafte wirtschaftliche Stabilität. Deshalb hat die isländische Regierung kurz nach dem Bankencrash einen EU-Beitrittsantrag gestellt, die Beitrittsverhandlungen haben im Vorjahr begonnen.

Islands Chefverhandler, Botschafter Stefan Johannesson: Island ist weltweit der kleinste Wirtschaftsraum mit eigener Währung und diese Währung ist schwach und anfällig für Kursschwankungen. Als die Krise in Island zugeschlagen hat, hat unsere Währung an Wert verloren und die Schulden für Haushalte und Firmen haben sich erhöht. Die EU und der Euro würden uns hier mehr Stabilität bringen, die Kreditzinsen wären niedriger, Island wäre wettbewerbsfähiger und interessanter für ausländische Investoren.

Wirtschaft dagegen

Das sehen aber viele Isländer anders. Denn die derzeit schwache isländische Krone macht isländische Produkte im Ausland billiger - das sorgt für einen Exportboom, Fisch und Aluminium sind die wichtigsten Exportprodukte. Der Vorteil der schwachen Krone wäre dahin, wenn Island den Euro bekäme, sagt der Deutsche Rüdiger Seidenfaden, der seit 30 Jahren in Reykjavik als Optiker arbeitet: nicht den Euro zu haben, hätte geholfen mehr im Ausland zu verkaufen.

Zankapfel Fischerei

Die isländische Wirtschaft erhole sich, während Europa an der Schuldenkrise zerbreche, so ein weiteres Argument gegen die EU. Außerdem müsste Island im Fall einer EU-Mitgliedschaft seine Fischgründe mit anderen EU-Staaten teilen und wohl auch den Walfang einstellen - das ist für viele Isländer inakzeptabel, denn der Fischfang sei nun nach dem Zusammenbruch des Bankensystems der wichtigste Wirtschaftszweig, sagt der isländische Journalist Karl Blöndal.

Keine Haftung für Bankpleite

Ein anderer möglicher Stolperstein für einen isländischen EU-Beitritt: Ein Streit mit Großbritannien und den Niederlanden, dabei geht es um rund 4 Milliarden Euro, die englische und holländische Sparer 2008 nach der Pleite der isländischen Online-Bank Icesave verloren haben. Mit dem Argument, man wolle nicht für die Fehler der Banken haften, hat die isländische Bevölkerung in bisher zwei Referenden dagegen gestimmt, dass Island die geforderten Milliarden an Großbritannien und die Niederlande überweist. Der Streit liegt nun bei der Handelsorganisation EFTA.

Umfragen derzeit auf Nein

Die Letztentscheidung über einen EU-Beitritt treffen aber die Isländerinnen und Isländer, und die sprechen sich klar dagegen aus. Das zeigen Umfragen, und das merkt man auch, wenn man in Reykjavik Menschen auf der Straße anspricht.

Dass Island, wie von der Regierung geplant, 2013 der EU-Beitritt, scheint also sehr unwahrscheinlich.