Aufbaukonzept mit Grenzen

Dagestan: "Fußball statt Terror"

Der bestverdienende Fußballer der Welt in einer der ärmsten Regionen Russlands: das ist das Aufbaukonzept der Krisenregion von Dagestan. Unter dem Motto "Fußball statt Terror" hat der russische Oligarch Sulejman Kerimov den schwarzafrikanischen Fußballstar Eto'o für ein Jahresgehalt von zwanzig Millionen Euro ins Elend von Dagestan geholt. Kann Eto'os Ruhm das Land verändern?

Mittagsjournal, 10.11.2011

Carola Schneider berichtet aus Dagestan

Begeisterte Kinder

Es ist ein ungewöhnliches Bild, das sich in der dagestanischen Stadt Chasawjurt unweit der tschetschenischen Grenze bietet: Inmitten von verfallenen Gebäuden trainieren Dutzende Kinder auf einem Fußballfeld. Mit Trainern üben sie den richtigen Ballkontakt und das Toreschießen. Allen gemeinsam ist die Begeisterung für den Sport: "Ich will ein Fußballstar werden und in den besten Mannschaften spielen."- "Fußball macht Spaß und es gibt hier sonst ja nichts, das wir unternehmen könnten."

"Chance auf ein besseres Leben"

Die Fußballschule in Chasawjurt ist die erste von insgesamt sieben, die der neureiche dagestanische Fußballklub Anschi bauen will. Die Schulen sollen nicht nur als Talenteschmiede für den russischen Erstligisten dienen, sondern den Kindern auch eine Zukunftsperspektive bieten, erklärt Michail Ubaidulajew, der Jugendverantwortliche des Klubs: "Heute lungern die Kinder auf der Straße herum, sehen nur Brutalität und Gewalt. In den Fußballschulen bieten wir ihnen eine Erziehung, sie lernen Respekt und Disziplin. Sie haben so die Chance auf ein besseres Leben."

Anregung Moskaus

Bisher hat der glamouröse Fußballklub Anschi vor allem mit millionenschweren Spielertransfers von sich reden gemacht: So wurde vor kurzem der kamerunische Stürmerstar Samuel Eto´o verpflichtet, mit 30 Millionen Euro der teuerste Transfer der russischen Fußballgeschichte. Dass Anschi nun auch soziales Gewissen zeigt, kommt kaum von ungefähr. Der Kreml legt milliardenschweren Oligarchen wie dem dagestanischen Besitzer von Anschi, Sulejman Kerimow, nahe, sich auch sozial zu engagieren.

Tägliche Gewalt

Das tut Not in einer Krisenregion wie Dagestan, die fast täglich von Anschlägen islamistischer Terroristen erschüttert wird. Allein heuer starben dabei Hunderte Menschen, darunter viele Zivilisten. Seit Moskau im benachbarten Tschetschenien die Rebellen brutal unterdrückt, schlüpfen sie vermehrt in Dagestan unter. Doch auch hier gehen Polizei und Militär gewaltsam gegen Untergrundkämpfer vor. Dabei werden oft friedliche Muslime pauschal verdächtigt. Übergriffe auf unschuldige Zivilisten sind an der Tagesordnung, erzählt Swetlana Isajewa von der Menschenrechtsorganisation "Mütter für Dagestan": "Menschenrechte sind hier gar nichts wert, am wenigsten werden sie von der Polizei und den Behörden respektiert. Unschuldige werden vor Gericht verurteilt oder umgebracht. Viele Jugendliche sehen keinen anderen Ausweg, als in den Untergrund zu gehen."

Korruption statt Bildung

Auch die wirtschaftliche Lage in Dagestan ist desolat, die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Region wird von korrupten Clans kontrolliert. Seit Jahren versucht die russische Regierung, den Krisenherd mit massiven Subventionen zu stabilisieren und wirtschaftlich zu entwickeln. Bisher ohne Erfolg. Die Gründe liegen auf der Hand, meint Menschenrechtsaktivistin Swetlana Isajewa: "Geld allein hilft uns nicht. Es versickert in dunklen Kanälen. Es wird weder in Bildung investiert, noch in Kindergärten oder Spitäler. Stattdessen werden protzige Geschäfte gebaut und Neureiche fahren in großen Autos herum." Solange Dagestan in einem Sumpf von Rechtsverletzungen, Behördenwillkür und Korruption versinkt, wird die russische Kaukasusrepublik ein Unruheherd bleiben. Daran dürften auch die Fußballschulen des Klubs Anschi wenig ändern.