Schriftsteller, Revolutionär, Dichterpräsident

Vaclav Havel ist tot

Der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel ist tot. Er starb am Sonntag, 18. Dezember 2011 Früh im Alter von 75 Jahren. Der einstige Dissident und spätere Staatschef zählte zu den Anführern der Samtenen Revolution 1989, in deren Verlauf die kommunistische Führung der damaligen Tschechoslowakei gestürzt wurde.

Morgenjournal, 19.12.2011

Morgenjournal, 19.12.2011

Udo Bachmair spricht mit der langjährigen ORF-Korrespondentin Barbara Coudenhove-Calergi

Nur zwei Monate nach seinem 75. Geburtstag ist der frühere Dissident und ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel am Sonntag früh im Schlaf gestorben. Seit mehreren Monaten war seine angeschlagene Gesundheit sichtbar. Nach einer neuerlichen Erkrankung der Atemwege Anfang 2011, mit denen der frühere Kettenraucher chronisch Probleme hatte, tauchte er nur mehr sehr selten in der Öffentlichkeit auf und beschränkte sein Arbeitsprogramm drastisch.

Als Havel dem derzeitigen Staatspräsidenten Vaclav Klaus im Juni schriftlich zu seinem 70. Geburtstag gratulierte, schrieb er unter anderem: "Heuer möchte ich Dir besonders Gesundheit wünschen. Glaub' mir, ich weiß, wovon ich rede." 1996 hatten Havel die Ärzte einen bösartigen Tumor aus der Lunge entfernt.

Sonntagsjournal, 18.12.2011

Zuletzt Arbeit als Filmregisseur

Für einen Termin nahm sich Havel aber doch Zeit - für die Premiere seines Films "Abgang" (auf Tschechisch "Odchazeni"), den er 2010 selbst als Regisseur, auf Basis seines gleichnamigen Theaterstücks in Szene setzte und sich damit einen alten Traum erfüllte. Die Kritiker warfen ihm zwar vor, das Theaterstück nicht an die Filmsprache angepasst zu haben, dies hielt ihn allerdings nicht von weiterer schöpferischer Arbeit ab.

Noch vor wenigen Tagen begrüßte er in Prag das Oberhaupt der Tibeter im Exil, den Dalai Lama. Dabei war Havel, der sich beim Gehen auf einen Stock stützte, sichtlich müde und abgemagert.

Sonntagsjournal, 18.12.2011

Nicht verwirklichte Pläne

Ein weiteres Vorhaben schaffte Havel nicht mehr: "Schon ein bisschen im Kopf" hatte er die Idee für sein nächstes Theaterstück, das er noch schreiben und damit seine Literatur-Karriere beenden wollte. Über den Inhalt wollte er zunächst nicht sprechen. Nur den Titel verriet er: "Sanatorium". "Ich habe gern, wenn alles zusammen einen Sinn hat. Dem 'Abgang' folgt nur noch das 'Sanatorium'", sagte Havel.

Havel und die Teilung der Tschechoslowakei

An der Spitze des tschechoslowakischen bzw. tschechischen Staates stand er in den Jahren 1989 bis 2003 - mit einer mehrmonatigen Pause 1992/1993, als der gemeinsame föderative Staat der Tschechen und Slowaken zerfiel. Damals betrachtete er den Untergang der Tschechoslowakei als eine persönliche Niederlage, weil er sich als Staatsoberhaupt sehr für die Aufrechterhaltung des 1918 von seinem Idol Tomas Garrigue Masaryk gegründeten Staates einsetzte. Später korrigierte Havel jedoch seine Auffassung im Bezug auf die Teilung der Föderation. "Wie bizarr es auch immer passierte, ist es doch gut, dass es passierte", betonte er.

Auf die Prager Burg - den Sitz des Präsidenten - brachten Havel die Umbruchereignisse vom Herbst 1989. Noch im selben Jahr verbrachte er einige Monate im Gefängnis des kommunistischen Regimes. Im November 1989 wurde er zur Symbolfigur der "Samtenen Revolution", die er unter seinem Motto "Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lüge und Hass" zu einem siegreichen Ende führte.

Kampf gegen den Kommunismus

Gegen den Kommunismus kämpfte der am 5. Oktober 1936 in eine bekannte Prager Unternehmerfamilie hineingeborene Havel Jahrzehnte lang. Wegen seiner "bourgeoisen Herkunft und Gesinnung" konnte er seine Studienpläne nicht verwirklichen, so dass er gezwungen war, eine Ausbildung als Chemielaborant zu beginnen. Sein ursprünglicher Wunsch, Geschichte und Philosophie zu studieren, scheiterte wiederholt an den ideologischen Hürden des Regimes.

Mit seiner Selbstverwirklichung begann Havel Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre in den Prager Theatern, wo er zunächst als Bühnenarbeiter und später auch als Schauspielautor tätig war. Nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 fiel er noch stärker in Ungnade.

Mitbegründer der "Charta 77"

1977 gehörte er zu den Gründern der Untergrundinitiative für Menschenrechte, "Charta 77", was ihn später für mehrere Jahre ins Gefängnis brachte. Seine literarischen Aktivitäten setzte Havel trotz des Verbotes seiner Stücke und eines Lebens als Hilfsarbeiter und Dissident bis 1989 fort.

Im Jänner 1996 starb seine erste Ehefrau Olga, die ihn in den schweren Jahren der Aufenthalte in kommunistischen Gefängnissen moralisch gestützt hatte. Anfang 1997 heiratete er überraschend die populäre und um 17 Jahre jüngere Schauspielerin Dagmar Veskrnova. Das neue Lebensbündnis ermunterte ihn psychisch so weit, dass er mit Dagmar an ein Kind dachte. Dieser Wunsch blieb jedoch unerfüllt.

Text: APA, Audio: ORF

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Aus aktuellem Anlass ändert Österreich 1 sein Programm: "Im Gespräch 'In memoriam Vaclav Havel'", mit Michael Kerbler und Alexandra Föderl-Schmid, Montag, 19. Dezember 2011, 21:00 Uhr