Drei Sieger aus 215 Neuerscheinungen

Die Ö1 CDs des Jahres 2011

Exakt 215 CD-Neuerscheinungen hat das "Ö1 bis Zwei"-Team in diesem Jahr als "CD des Tages" vorgestellt. Jetzt haben wir beschlossen, aus diesen vielen schönen CDs die drei, die wir am allerbesten fanden, zu den "Ö1 CDs des Jahres" zu machen.

Wir - das sind Ihre Gestalter Mirjam Jessa, Albert Hosp und Gustav Danzinger.

Jeder von uns hat aus den selber präsentierten CD-Novitäten drei ausgewählt, die in die engste Auswahl kommen, und zu dritt haben wir dann eine Bewertung vorgenommen, die vor allem die musikalische Qualität der Interpretation im Zentrum hatte, aber natürlich auch die Aufnahmequalität, den Repertoirewert und die inhaltliche Zusammenstellung berücksichtigte.

Der 14-jährige Felix Mendelssohn-Bartholdy hat ein Doppelkonzert für Violine und Klavier komponiert, dass einem der Mund offen bleibt, ob der kompositorischen Finesse einerseits und schlicht seiner Schönheit wegen andererseits. Die Solisten, der Pianist Kristian Bezuidenhout und der Geiger Gottfried von der Goltz vermitteln uns so sehr diese kaum gebändigte Spiellust, dieses Übersprudelnde an Einfällen, sie vermögen einen richtiggehend anzustecken!

Ein vielfältiges Hörvergnügen - die lebhafte Interpretation von Solisten und Freiburger Barockorchester, die vielen Klangfarben, die Bezuidenhout dem Hammerklavier entlockt und die von der Goltz aufnimmt und weiterfärbt, aber vor allem die Komposition selbst. Wenn Sie in die Musik reingehen, ist das spannend wie ein Krimi!

Prototypisch romantisch und ebenso faszinierend musikalisch realisiert ist das zweite Stück dieser CD, Mendelssohns a-Moll-Klavierkonzert. Es ist ein halbes Jahr früher entstanden für eines jener Sonntagsmusiken, die im Hause Mendelssohn veranstaltet wurden.

So erfreulich Paul Lewis Beethoven spielt - er hat in den letzten Jahren sämtliche Sonaten und Konzerte aufgenommen - ganz zu Hause ist er für mich bei Franz Schubert.

Lewis spielt diese Sonaten und Impromptus grandios (und) einfach, er verpackt viel Emotion, er zeigt auch Kraft - und auch das, was bei Schubert virtuos ist. Er beherrscht ein leichtes, geschmackvolles Rubatospiel und bleibt im Rahmen des Notentextes und des Stils stets flexibel. Paul Lewis verzärtelt Schubert nicht, er spielt kraftvoll, mit einem extremen Lautstärke-Spektrum. Aber - und das schätze ich sehr: Seine Forte- und Fortissimostellen sind nie grob, es gibt nicht Derbes, Unrundes.

Beethoven und Schubert, so sagt Lewis, sind beängstigend. Denn hinter jedem scheinbar lyrischen und harmlosen Akkord, hinter jeder Passage wartet Bedeutendes, Unerwartetes. Das ist aber auch das Faszinierende. Bei dieser wirklich großen Musik gibt es keine einzig wahre Möglichkeit, sie zu spielen. Es ist ständig eine unvollendete Angelegenheit…

Simon Trpceski wurde in diese Welt gesetzt, um diese Musik zu spielen (jetzt weiß ich nicht, was Trpceskis Eltern dazu sagen würden). Jedenfalls kam er 1979 in Mazedonien zur Welt; er lebt und arbeitet (nämlich am dortigen Konservatorium) in Skopje.

Trpceski und Vasily Petrenko an der Spitze des Royal Liverpool Philharmonic Orchestra haben vor einem Jahr die bekannteren Konzerte 2 und 3 von Rachmaninow vorgelegt - und nun die auch am CD-Markt viel weniger präsenten Konzerte 1 und 4 nachgereicht. Die zweifellos berühmtere Rhapsodie über ein Thema von Paganini ist das dritte Werk dieser Neuerscheinung, und ganz sicher keine Füllung. Trpceski und die Liverpooler spielen dieses Werk auch sehr zeitgemäß. Etwas was die Rhythmen betrifft - hier ist wirklich Swing zu spüren.

Der hagere Russe mit dem traurigen Blick, der kettenrauchende Misanthrop, der berühmteste Pianist seiner Zeit, der um (Selbst-)Achtung ringende Komponist - Rachmaninows Person hat viele Klischees erzeugt. Hier nun wird ihm Recht zuteil - in dieser präzisen und doch schwelgerischen, analytisch genauen und doch hemmungslos gefühlvollen Interpretation.

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