Die östlichste Insel der Karibik

Unterwegs auf Barbados

Wahrhaft karibisch, und dennoch unverkennbar britisch geprägt, so könnte man die Bevölkerung von Barbados beschreiben. Drei Jahrhunderte lang stand die karibische Insel durchgehend unter englischer Kolonialherrschaft - was ihr den Beinamen "Little England" einbrachte.

Sechs Uhr morgens an einem Strand in Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados. Das Karibische Meer ist glasklar und beinah unbewegt. Der Sand unter den Füßen ist fein wie Mehl. Der gelbgrüne Pier des "Grand Barbados Hotels" begrenzt den Strandabschnitt auf der rechten Seite, links liegt die Landzunge "Needham's Point". Auf dem Meer sind Fischerboote vertäut. Weit draußen, zwischen den Booten, sieht man die Köpfe eines schwimmenden Pferdes und eines Menschen aus dem Wasser ragen.

Von der Straße her ist Hufgeklapper zu hören. Drei weitere Pferde werden von dunkelhäutigen Männern an den Strand geführt. Die Tiere, erklärt David, der eines von ihnen am Zügel hält, sind Rennpferde aus der nahegelegenen "Garrison Savannah", der ehemaligen britischen Garnison. Zweimal pro Woche wird jedes von ihnen morgens zum Schwimmen gebracht.

Britischer Einfluss

Rund 250 Rennpferde - hauptsächlich braune und schwarze englische Vollblüter - sind in der "Garrison Savannah" untergebracht. Frühmorgens herrscht hier reger Betrieb. Für Reisende, die der Jet Lag nicht schlafen lässt, ist es ein empfehlenswerter Aufenthaltsort.

Fünf- bis siebentausend Besucher, sagt der Pferdebesitzer Luther Miller, werden am kommenden Wochenende zum großen Derby erwartet. Sie können das Rennen von den Tribünen aus beobachten oder ein Picknick unter einem der hohen Bäume machen, die rund um die ovale Grasrennbahn Schatten spenden. Die Bäume mit ihren meterdicken Stämmen sind wahrscheinlich ebenso alt wie die Tradition des Pferderennens auf Barbados. 1845 wurde der "Sport der Könige" durch Offiziere des britischen Regiments auf der Insel eingeführt.

Insel der Bärtigen

Der britische Einfluss ist auf Barbados in vieler Hinsicht ungebrochen. Drei Jahrhunderte lang stand die karibische Insel unter englischer Herrschaft. Sie ist die einzige, die die Kolonialmacht niemals wechselte, weshalb sie bis heute den Beinamen "Little England" trägt. Ihr eigentlicher Name, Barbados, wurde jedoch nicht von den englischen Siedlern geprägt. Wahrscheinlich geht er auf portugiesische Seefahrer zurück, die die Insel im frühen 16. Jahrhundert erkundeten. Von den die Strände der Antilleninsel säumenden Fikusbäumen mit ihren langen Luftwurzeln fühlten sie sich an bärtige Männer erinnert - auf Portugiesisch "os barbados".

Vorläufer der Globalisierung

Als östlichster Vorposten der Karibik wurde Barbados in der Kolonialzeit zu einem wichtigen Handelszentrum. Und zu einem Ort, an dem die vielfältigsten Menschen - teils freiwillig, teils gezwungenermaßen als Fracht der Sklavenschiffe - zusammenkamen. Insofern könne man die Insel als einen der ersten Orte der Globalisierung bezeichnen, meint der barbadische Filmemacher Mahmood Patel. Denn bildlich gesprochen kam jeder, der hier lebt, vor mehr oder weniger langer Zeit auf einem Schiff, einem Boot oder in einem Flugzeug auf die Insel.

Die barbadische Lebensart ist heute westafrikanisch und westeuropäisch geprägt. Größtes Ballungsgebiet der Insel ist die 1628 von Engländern gegründete Hauptstadt Bridgetown. Zählt man die Einwohner der Vororte mit, leben hier 80.000 Menschen - vornehmlich vom Tourismus, sowie der Zucker- und Rumproduktion.

Bridgetown ist im Westen der Insel an der Mündung des Constitution River gelegen und gilt als die sauberste und sicherste Hafenstadt der Karibik. Die Careenage, der ehemalige Segelhafen der Stadt, ist heute ein Yachthafen. Sie wird von einem hölzernen Trottoir mit grüner Balustrade gesäumt. An ihrem Ufer reihen sich buntgestrichene, niedrige Kolonialhäuser aneinander, darunter das "Waterfront Café", das berühmteste Kaffeehaus der Hauptstadt.

Von Plantagenhäusern und Tauchbädern

Architektonisch hat Barbados vieles zu bieten - von zahlreichen alten Plantagenhäusern wie dem Fisherpond Greathouse, bis hin zur Nidhé Israel Synagoge, dem zweitältesten jüdischen Gotteshaus der westlichen Hemisphäre.

1654 von sephardischen Juden in Bridgetown erbaut, entging die Synagoge im vergangenen Jahrhundert nur knapp dem Abriss und erstrahlt heute wieder in altem Glanz. Entdeckt wurde im Zuge der Renovierungsarbeiten auch eine 350 Jahre alte Mikwe, ein unterirdisches, von einer Quelle gespeistes Tauchbad, das im jüdischen Glauben der rituellen Reinigung dient.

Modulare, mobile Architekturen...

In den Fokus der Denkmalpflege gerückt sind in den letzten Jahrzehnten auch die Chattelhouses, mobile, im georgianischen Stil verzierte Holzhäuschen, die in der Zeit der Sklavenbefreiung entstanden. Bewohnt wurden sie von jener großen Mehrheit ehemaliger Sklaven, die kein eigenes Land hatten, sondern als Lohnarbeiter von Plantage zu Plantage zogen. Verloren sie ihre Arbeit, konnten sie ihr Haus auf einen Eselskarren laden und an ihren neuen Arbeitsort mitnehmen.

Es war eine modulare Architektur: Man baute zunächst einen einzelnen, quadratischen Raum. Wenn man mehr Geld hatte oder die Familie wuchs, baute man weitere Räume an. Zu bescheidenem Wohlstand kamen viele schwarze Barbadier, nachdem sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Gastarbeiter am Bau des Panamakanals beteiligt hatten. Die in dieser Zeit entstandenen Chattelhouses konnten aufwendiger gestaltet werden. Ästhetisch orientierten sie sich an den großen, im georgianischen Stil gehaltenen Plantagenhäusern. Ziergiebel, Fensterläden, Pilaster - und manchmal sogar kleine Kolonnaden, die um zwei Seiten der Holzhäuschen herumführen - zeugen davon.

... und karibische Klischees

Im Chattel Village in Holetown, an der Westküste der Insel, können Touristen in farbenfroh restaurierten Holzhäuschen Souvenirs und lokale Textilien erwerben. Solche kommerzialisierten, bunten Chattel-Dörfer haben aber weniger mit der architekturgeschichtlichen Realität, als mit der zunehmenden "Amerikanisierung der Karibik" zu tun, meint der barbadische Dokumentarfilmer Mahmood Patel.

Die Farbtöne, in denen die Chattelhouses auf Barbados traditionellerweise gestrichen wurden, waren sehr gedämpft: Schlachtschiffgrau, Norfolkbraun oder Cremeweiß. Die strahlenden Gelb-, Grün-, Blau- und Orangetöne, in welchen die Holzhäuschen heute immer öfter gestrichen werden, haben die Insel erst in jüngerer Zeit erobert - als Interpretation dessen, was "Karibik" zu sein hat.

Schutz der Unterwasserwelt

Nicht nur Alltagskulturgüter wie die Chattelhouses ist man auf Barbados zu bewahren bemüht. Auch auf dem Gebiet des Naturschutzes fand in den letzten drei Jahrzehnten ein Umdenken statt. Drei Arten von Meeresschildkröten sind im Karibischen Meer heimisch und haben auf Inselstränden seit Jahrmillionen ihre Eier abgelegt. Bis vor 25 Jahren wurden sie auf Barbados, wie auch in der restlichen Karibik, von Menschen gejagt und gegessen - kaum eine Meeresschildkröte nistete noch auf den Stränden der Insel.

1987 wurde schließlich das "Barbados Sea Turtle Project" gestartet, das die "Grüne Meeresschildkröte", die "echte Karettschildkröte" und die mächtige "Leatherback", die größte aller Meeresschildkröten, unter Naturschutz stellt. Das Jagen und der Verzehr der gepanzerten Reptilien werden seitdem auf Barbados mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedacht. Die Schildkrötenpopulationen haben sich erholt und das "Schwimmen mit wilden Meeresschildkröten" wird nun als touristisches Erlebnis vermarktet.

Eine gute Möglichkeit, die Unterwasserwelt vor Barbados kennenzulernen, ist auch eine Fahrt mit dem Passagier-U-Boot "Atlantis Submarine". Mehrmals täglich befährt es, vom Tiefseehafen in Bridgetown aus, die Korallenrifflandschaft an der Westküste der Insel.

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