Lernen vom Zauberer

Das einzig wahre Handbuch für Agenten

Was haben Spionage und Zauberei gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig bis gar nichts, auf den zweiten einiges, spielen doch sowohl beim Agenten, als auch beim Magier das Tarnen und Täuschen wesentliche Rollen.

Was 1954, im Kalten Krieg, in diesem geheimen Bericht an Präsident Dwight D. Eisenhower formuliert wurde, spiegelt sehr treffend die längst eingesetzte Paranoia wider, in der sich die USA zu dieser Zeit befanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den erfolgreichen Nuklearwaffentests der Sowjetunion 1949 standen sich plötzlich zwei globale Supermächte gegenüber und eine davon war spionagetechnisch massiv unterentwickelt.

Während in Ländern wie Russland, Frankreich und Großbritannien Spionage seit Jahrhunderten selbstverständlicher Bestandteil der nationalen Sicherheitsbehörden war, wurde man in den USA erst 1947 mit der Gründung der CIA erstmals ernsthaft aktiv.

Experimente zur Bewusstseinskontrolle

Der Nachholbedarf war immens, vor allem jener auf dem technischen Sektor. Neben der professionellen Herstellung von unsichtbaren Tinten, gefälschten Reisepässen oder versteckten Kameras hatte das sogenannte MKUltra-Programm oberste Priorität, ein umfangreiches Projekt zur Erforschung von Bewusstseinskontrolle.

Ziel war es, ein perfektes Wahrheitsserum zu entwickeln, um sowjetische Spione zu verhören. Trickexperte Mulhollands Aufgabe bestand nun vor allem darin, Methoden auszuarbeiten, um feindlichen Agenten unauffällig Drogen und Gift zu verabreichen. Im Mai 1953 nahm er für die Summe von 3.000 Dollar das Angebot an, ein getarntes Handbuch der Zauberkunst zu schreiben – selbstverständlich unter allergrößter Geheimhaltung.

Wie aus Qs Ideenwelt

John Mulhollands Trickliste erinnert stark an die Einfälle von "Q", dem berühmten Tüftler aus James-Bond-Filmen. Man lernt, wie man eine Mini-Rakete in einer Zahnpastatube versteckt; seine Mimik derart verändert, dass man als grimmiger Russe durchgeht oder wie man sich einen zweiten, unsichtbaren Kofferraum ins Auto baut. So skurril die Manipulationen anmuten, man kann sich sicher sein, dass sie tatsächlich durchgeführt wurden - und werden.

Allein bei der Aufzählung der in Erwägung gezogenen Methoden, Fidel Castro unschädlich zu machen, bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Die harmloseren Anschlagspläne sollten lediglich dessen Macho-Image zerstören. Mit starken Enthaarungsmitteln wollte man seine Stiefel, aber auch seine Zigarren manipulieren, damit ihm die Barthaare ausfielen. Ein anderes Mal sollte ihm ein vergifteter Taucheranzug eine chronische Hautkrankheit bescheren.

Radikalere Ideen beinhalteten mit Sprengstoff präparierte Muscheln, eine explosive Zigarrenschachtel und eine absolut tödliche Kugelschreiberspitze.

Optische Tricks

Während für Zauberer die perfekte Illusion das höchste Ziel darstellt, ist sie für den Agenten nur notwendiges Mittel, um die Aufmerksamkeit von heimlichen Handgriffen abzulenken, also dem Austausch von Informationen, Geld, Akten oder ähnlichem oder etwa der Versetzung eines Lebensmittels mit Gift.

Der Meistermagier Mulholland lehrte diese perfekte Ablenkung. Das Geheimnis ist enttäuschend simpel: Da sich der menschliche Geist immer nur auf einen Gedanken konzentrieren kann, muss man im Kopf des Beobachters ein falsches Bild erzeugen, indem man seine optische Wahrnehmung beeinflusst. So wies er die Spione etwa an, ein Zündholz zu entfachen und seinem Gegenüber Feuer zu geben, während sie mit der anderen, freien Hand seelenruhig eine Tablette in dessen Getränk fallen lassen sollten.

Diebstahl à la CIA

Das Kapitel über "Das Entwenden von Objekten" birgt da schon mehr Überraschungen. Hier wird in leicht nachvollziehbaren Schritten erklärt, wie man etwa ein Dokument unauffällig verschwinden lassen kann: mithilfe kleiner Wachsstücke an der Unterseite eines Buches, das man über das Dokument legt. Danach lernt man auch noch, wie man ein Blatt Papier mit nur einer Hand in Sekundenschnelle falten und in einer Geheimtasche am Körper verschwinden lässt.

Geheime Kommunikation

Wie man Nachrichten durch das unterschiedliche Binden seiner Schuhbänder übermittelt, wie man Kleinstgeräte in einem künstlichen Hodensack aus Gummi versteckt oder wie der Trick mit der zersägten Jungfrau funktioniert... Das alles und noch viel mehr erfährt man in der detailreichen, aber stets verständlich erklärten Einführung in die Kunst der Täuschung, Tarnung und geheimen Kommunikation.

Die Autoren, der Spionageexperte H. Keith Melton und der Ex-CIA-Agent Robert Wallace sind profunde Kenner der Materie und haben die ohnehin schon spannenden Aufzeichnungen Mulhollands komplettiert zu einem kurzweiligen Buch über Spionagetechniken, das tatsächlich immer wieder verblüfft.

Ein Einblick in Methoden, die heute noch angewandt werden, sowie ein Ausblick auf mögliche Täuschungsvarianten der Zukunft zeigen, welch enormen Einfluss Magier wie Houdini, Maskelyne oder Mulholland nach wie vor auf den Alltag moderner Spione haben.

Wunschtraum Tarnkappe

Das gegenwärtig spannendste Geheimprojekt erforscht die Urform des Zauberns schlechthin: das Unsichtbarmachen. Lichtquellen sollen so abgelenkt werden, dass Objekte für das bloße Auge nicht mehr erkennbar sind.

Service

H. Keith Melton & Robert Wallace, "Das einzig wahre Handbuch für Agenten. Tricks und Täuschungsmanöver aus den Geheimarchiven der CIA", Heyne Verlag

Heyne - Das einzig wahre Handbuch für Agenten