Roman von Leif Randt
Schimmernder Dunst über CobyCounty
"Der Ansatz war, ich schreibe ein maximal entspanntes Buch, (...) jemand, der einfach vor sich hinerzählt. Es kommt auch keine andere." So Leif Randt über sein aktuelles Buch.
8. April 2017, 21:58
Entspannt geht es zu in der kleinen Stadt CobyCounty, in der Leif Randt seinen neuen Roman angesiedelt hat. Man feiert, trinkt und freut sich des Lebens und hat sich auch an die Touristenscharen gewöhnt, die CobyCounty jedes Frühjahr heimsuchen.
Rundum zufrieden
Hier lebt der Erzähler, der 26-jährige Literaturagent Wim, der mit sich und der Welt rundum zufrieden ist. Seit einigen Jahren ist er mit Carla zusammen und an seinen freien Abenden trifft er seinen besten Freund Wesley auf einen Drink.
Zitat
In den Imbissen und Bistros brennt noch Licht. Überall scheinen sich Paare an Zweiertischen gegenüberzusitzen, Karaffen mit Wein zu bestellen und sich bemüht in die Augen zu blicken. Ich glaube nicht, dass es hier Beziehungen gibt, in denen der Valentinstag ungebrochen zelebriert wird. Vor unseren Füßen rotieren Sandkörner, manche fliegen uns in den Mund, also sprechen wir kaum. Es scheint mir, als hätte der letzte Longdrink Wesley ziemlich nachdenklich gemacht. Früher hätte er in dieser Stimmung ein leicht drastisches Gespräch gesucht, über die Unmöglichkeit aufrichtiger Erotik zum Beispiel, oder über die Angst, eines Tages mal selbst ein Dad zu sein. Heute weiß er sich zu kontrollieren. An unserer Kreuzung verabschieden wir uns mit einem leichten Nicken.
Es läuft also alles rund in CobyCounty, so rund, dass die Stadt ein seltsam künstliches Flair ausstrahlt, wie ein rosakitschfarbenes Disneyland oder auch wie der Ort Seahaven aus dem Film "Die Truman Show". Wo genau CobyCounty liegt, weiß freilich niemand, nicht einmal Leif Randt selbst: "Mit meinen extrem schlechten Geografiekenntnissen habe ich teilweise vor Karten gesessen und überlegt, wo könnte ich es denn ansiedeln, aber dann habe ich das verworfen und dachte, ach, das ist eigentlich auch sehr nett, wenn das undefiniert bleibt."
Drohender Sturm
Aber dann gibt es auf einmal doch Probleme. Mit der Hochbahn etwa, die aus ihrer Verankerung springt, sodass die ganze Stadt atemlos die erfolgreiche Rettungsaktion verfolgt. Oder mit dem Wetter: Meteorologen kündigen einen schweren Sturm an, einen Jahrhundertsturm sogar, und in CobyCounty geht plötzlich die Angst um: Wird der Hurrikan die Stadt womöglich zerstören?
Auch in Wims Leben läuft nicht mehr alles so glatt wie zu Beginn. Carla verliebt sich in einen anderen und beendet die Beziehung zu Wim per SMS, Wesley bricht zu einer Reise auf und als er zurückkehrt, hat er sich verändert.
Leif Randt nutzt seine fiktive Stadt als Mikrokosmos, als Spiegel einer Gesellschaft, die jäh aus ihrem Idyll erwachen muss: "CobyCounty ist ja sozusagen so ein Monomilieu, es ist ja doch vom Bildungsstand und von den Tätigkeitsfeldern relativ homogen. Es zeichnet so eine Milieublase eigentlich nach, in die sich dann aber viel Weltgeschehen hineinpfropfen ließ, ohne dass es jetzt sich so gepfropft anfühlt."
So kann auch der drohende Jahrhundertsturm als Metapher verstanden werden: eine Metapher auf Bedrohungen wie etwa eine weltweite Wirtschaftskrise, vor der man sich ängstigt, obwohl noch gar nicht sicher ist, dass es wirklich dazu kommen muss.
Alles halb so schlimm
"Das Gefühl, aus dem ich 'CobyCounty' heraus geschrieben habe, ist schon irgendwie, dass man in einer Umbruchphase ist, dass irgendwie zumindest Europa und die USA auch in einer Umbruchphase sind und es bezieht sich ja nur auf Europa und die USA, die Welt, die in CobyCounty dargestellt ist oder auch die Leute, die CobyCounty besuchen und so weiter. Und immer die Frage, wie geht man mit den Veränderungen um, was macht man stattdessen?"
Tatsächlich ist am Schluss alles halb so schlimm: Aus Angst vor dem Sturm verlassen immer mehr Einwohner die Stadt, aber Wim und seine Freunde beschließen zu bleiben – und erleben schließlich nichts weiter als ein recht harmloses Gewitter, das an CobyCounty vorbeizieht. Dennoch: das Leben in der Stadt wird sich verändern, das vermutet jedenfalls Leif Randt:
"Ich persönlich habe das Gefühl, dass CobyCounty nie mehr so sein wird wie es war. Weil ich rechne damit, dass die Touristen nicht in der Zahl wiederkommen, und vor allem, dass das Milieu der Touristen, die dann noch nach CobyCounty kommen, nach diesem Unwetter, nach dieser Irritation, ein anderes sein wird... ja die goldenen Tage von CobyCounty sind gezählt."
Roman mit doppeltem Boden
All dies erzählt Wim aus einer ziemlich egozentrischen Perspektive. Kaum etwas scheint ihn wirklich zu beeindrucken, er nimmt das Ende seiner Beziehung zu Carla ebenso hin wie die Aufregung über den drohenden Sturm und ist eingesponnen in seinen Kokon aus Selbstzufriedenheit.
Seinem Erzähler hat Leif Randt eine bemerkenswert unaufgeregte und gleichzeitig elegante Sprache mit auf den Weg gegeben, in der trotz der oft recht banalen Inhalte immer noch etwas Ungesagtes mitzuschwingen scheint. Es ist eben ein Roman mit doppeltem Boden, leicht zu lesen und dennoch vielsagend, der auch seinem Autor einige neue Ansatzpunkte vermittelt hat:
"Was ich persönlich mitnehme, ist eine Art Verunsicherung darüber, was man sich eigentlich wünscht und was die Konsequenz davon wäre, wenn die Wünsche in Erfüllung gingen, also funktionieren diese Wünsche vielleicht nur, wenn es Widerstände gibt. (...) Und wenn die Reibung verlorengeht, ist dann wirklich die Konsequenz, dass man melancholisch werden muss? Das passiert ja mit Wim zumindest und dann ist man schon bei relativ grundlegenden Fragen, deren Beantwortung dann dem Leser übrig bleibt."
Service
Leif Randt, "Schimmernder Dunst über CobyCounty", Berlin Verlag
Berlin Verlag - Schimmernder Dunst über CobyCounty