Weltatlas zu den erneuerbaren Energien
Der Desertec-Atlas
Das erste große Sonnenkraftwerk soll jetzt statt wie geplant in Marokko in Tunesien entstehen, verkündete die Desertec Foundation. Bis zu 2000 Megawatt Strom soll dort erzeugt werden und über Italien nach Europa fließen. Desertec präsentiert sich als ganzheitliches Lösungskonzept zur Gewinnung sauberen Stroms und liefert Ansätze wie man mit Energieproblemen und Klima umgehen sollte.
27. April 2017, 15:40
Verfährt die Menschheit weiter wie bisher, so wird sie bis 2050 drei Erden brauchen, um ihren Ressourcenverbrauch zu decken, warnen die Autoren des Desertec-Atlas zu Beginn. Wissenschaftler seien sich einig: Bis 2050 müssen wir auf erneuerbaren Energien umsteigen, zumindest teilweise, sonst gebe es unumkehrbare gravierende Folgen für das Klima.
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Betrachtet man die Wüsten dieser Erde, so empfangen diese in sechs Stunden so viel Energie, wie die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Damit wird offenkundig: Die Nutzung der Sonnenenergie ermöglicht eine Gesamtlösung mithilfe erneuerbarer Energien.
Immer mehr Solaranlagen
An erster Stelle strahlt die Sonne, der größte natürliche Energielieferant. Genutzt wird die Energie der Sonne längst beispielsweise mittels Photovoltaik: Bei Systemen auf Hausdächern wird Sonnenlicht über Solarzellen unmittelbar in elektrischen Strom umgewandelt. Die Produktion von Solaranlagen hat sich hierzulande in den letzten zehn Jahren beinahe vervierfacht, ein Großteil der Solaranlagen wurde in Privathaushalten installiert.
4,5 Millionen Quadratmeter Solarkollektoren haben 2010 in Österreich Energie durch Wärme produziert - in Zahlen: über 3000 Megawatt. Rechnet man die Gesamtleistung der heimischen Donaukraftwerke zusammen, liegt diese knapp über 2000 Megawatt.
Bei Solarthermischen Kraftwerken beispielsweise werden die Sonnenstrahlen durch Spiegel in verschiedenen geometrischen Formen gebündelt.
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Ein Vorteil der Solarthermie gegenüber der Photovoltaik ist die deutlich bessere Speicherfähigkeit der erzeugten Energie. Die erzeugte Wärme kann beispielsweise mit Hilfe von Flüssigsalzspeichern gelagert werden. Diese gespeicherte Wärme wird erst dann in der Turbine zu Strom umgewandelt, wenn dieser tatsächlich auch benötigt wird.
Das Stromnetz der Zukunft
In Kalifornien entsteht derzeit das größte Solarkraftwerk der Welt. Es soll die Leistung eines Kernkraftwerkes haben, ein Drittel des Energiebedarfs in Kalifornien soll bis 2020 durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Im Moment beträgt die Kapazität von solarthermischen Anlagen weltweit circa 1 Gigawatt, die Anlagen, die derzeit in Bau sind, sollen 15 Gigawatt Energie liefern, alleine die deutschen Kernkraftwerke kommen vergleichsweise auf 20 Gigawatt.
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Ein flexibles Stromnetz der Zukunft wird also neben konventionellen Kraftwerken aus Einspeisern wie Solarkraftwerken, Windkraftgeneratoren oder häuslichen Blockheizkraftwerken bestehen, die über das Netz verteilt sind. Die Herausforderung der Zukunft wird darin bestehen, wie die dezentrale Stromerzeugung mit den Zentralen kombiniert werden kann und als Stromnetz der Zukunft mit einer neuen intelligenten Netzarchitektur die Energieversorgung zuverlässig gewährleistet. Hauptziel ist es, das Gleichgewicht zwischen Elektrizitätsverbrauch und Elektrizitätserzeugung herzustellen.
In einer anschaulichen Grafik zeichnen die Autoren das Stromnetz der Zukunft: Es besteht aus kleinen autarken Mikronetzen, Häuser mit Solaranlagen liefern durch solarthermische Kollektoren Warmwasser für sich und die Nachbarschaft. Bürogebäude und Wohnsiedlungen nutzen Solaranlagen, weil diese nicht nur praktisch, sondern auch dekorativ und ästhetisch - und in Zukunft vielleicht sogar schick sind. Diese dezentralen Kreise sind an ein großes Netzwerk angeschlossen, das sich die Energie beispielsweise aus Industriekraftwerken und Windparks holt. Die Autoren betonen das Speichern der Energie, nur so kann zwischen Verbrauch und Erzeugung ein Gleichgewicht bestehen.
Speichermöglichkeiten
An erster Stelle sind hier Pumpspeicherwerke zu nennen. Dazu muss die Elektrizität über große Entfernungen zur Speicherung transportiert werden können, zum Beispiel nach Norwegen, das über hohe Speicherkapazitäten verfügt. Eine weitere Speichermöglichkeit könnten in Zukunft Elektromobile darstellen, deren Zahl voraussichtlich stark steigen wird und die daher über wachsende Speicherkapazitäten verfügen werden.
Der Desertec-Atlas liefert einen Überblick, wie sich die Energieversorgung in Zukunft aus Wasserkraft, Windenergie, Erdwärme und Sonneneinstrahlung zusammensetzen sollte und betont die Sicherheit dieses Projektes, denn die fossilen Energielieferanten auf der Welt werden immer knapper.
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Sonne und Wind sind kostenlos und das macht langfristige Verträge mit festen Preisen möglich. Dazu kommt, dass sich Strom als politisches Druckmittel kaum eignet. Denn Kohle, Öl, Gas oder Uran, die heute zurückgehalten werden, können morgen immer noch verkauft werden. Strom aus Wind, Wasser oder Sonne, der nicht geliefert wurde, ist kaum aufzubewahren."
Bunter Überblick
Auf die öffentliche Kritik, das Projekt sei aufgrund der riesigen Solarkraftwerke in afrikanischen Wüsten neokolonial, gehen die Autoren nicht wirklich ein. Auch das Thema Kosten - die bis zum Jahr 2050 auf 400 Milliarden Euro geschätzt werden - wird klein gehalten. Der Gefahr des Ressourcenfluches, also dass Rohstoffreichtum dem exportierendem Land mehr schadet als nützt, werden nur Zahlen entgegengehalten.
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Berechnungen haben ergeben, dass die Hauptgewinner des Konzeptes die Wüsten-Regionen wie zum Beispiel die nordafrikanischen Staaten wären, da sie so eine erneuerbare und bezahlbare Strom- und Wasserversorgung erhalten. Die Strompreise in diesen Ländern würden gegenüber dem heutigen Stand nahezu halbiert werden können.
Der Desertec-Altas bietet einen bunten Überblick mit Grafiken, Unmengen an Zahlen und Infoboxen. Was fehlt, sind kritische Stimmen und Pläne zur konkreten Umsetzung. Erneuerbare Energien sind die Zukunft, sie nur - wie die Autoren - durch die rosarote-Sonnenbrille zu sehen, kann aber auch nicht zielführend sein.
Service
"Der Desertec-Atlas. Weltatlas zu den erneuerbaren Energien", herausgegeben von der Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V. in Kooperation mit der Desertec Foundation, Europäische Verlagsanstalt
Club of Rome - Desertec-Atlas
Desertec Foundation