Juliette Greco

AP/CARDENAS

Die schwarze Muse von Saint-Germain des Prés

Juliette Greco ist 85

Die große Dame des französischen Chansons, Juliette Greco, ist heute 85 Jahre alt - und immer noch aktiv: Zu ihrem Geburtstag steht sie für drei Tage auf der Bühne des großen Pariser Chatelet Theaters.

Juliette Greco ist nach wie vor weiß geschminkt, schwarz gekleidet und singt auf ihrer neuesten CD Chansons über die Brücken von Paris, als wollte sie damit der Stadt, deren Flair sie in die Welt getragen hat, eine Reverenz erweisen. Die Interpretationen Grecos, die Ferré, Brassens, Brel und Gainsbourg als ihre Lebensgefährten bezeichnet, fast ausschließlich Chansons von anderen singt, haben seit jeher etwas Melancholisches - die Spur einer schlecht verheilten Wunde: Sie war als Kind von ihrer Mutter nicht gewollt und nicht geliebt worden.

"Sie hat mir das auf die schlimmste Art und Weise gesagt. Sagte, du bist ein Findelkind, ich hab dich am Straßenrand aufgelesen, Zigeuner haben dich dort zurückgelassen. Und ich sagte: aha. Vielleicht bin ich eine Zigeunerin. Und sie hat mir gesagt, du bist die Frucht einer Vergewaltigung, was dazu geführt hat, dass ich Jahre damit verbrachte, mich zu fragen, was für ein Baum das ist, die Vergewaltigung", erzählt Greco.

Symbol der Rebellion und des Freiheitsdrangs

Mit 16 Jahren musste sie im besetzten Paris allein durchkommen, Schwester und Mutter waren wegen Widerstandstätigkeit von den Nazis nach Ravensbrück deportiert worden, sie selbst verbrachte einige Wochen in einem Gestapo-Gefängnis.

Das Leben und der Erfolg der Greco, die in zwei Dutzend Filmen mitgespielt hat, war von zahlreichen Zufällen und Zufallsbekanntschaften geprägt. Bis heute wirkt sie, als könne sie ihr Glück nicht fassen, dass sie den Schriftstellern Jacques Prevert oder Boris Vian begegnet ist, irgendwann Jean Paul Sartre, dann Camus; ja selbst der großbürgerlich-katholische Francois Mauriac hat ein Chanson für sie geschrieben. Für sie, die, blutjung, innerhalb weniger Jahre das Symbol der Rebellion und des Freiheitsdrangs der Jugend im Nachkriegsparis geworden war.

"Wenn ich zum Beispiel wüsste, warum Sartre mit mir sprechen, sich um mich kümmern wollte, warum all diese Leute wie Merleau Ponty oder Simone de Beauvoir eine Hand über mich hielten. Denn ich wollte ja nichts, hab nichts verlangt, hab immer nur zugehört", sagt Juliette Greco.

Man hat sie damals sehr schnell die "Ikone des Existenzialismus" genannt. Heute kann sie nur darüber schmunzeln: "Wenn mich die Leute fragten, was ist das, Existentialismus, hab ich ihnen gesagt, was ich eben so ahnte und riet ihnen , sie sollten in die Buchhandlung gehen und die Bücher lesen, dort sei das besser erklärt."

Motivation: Leidenschaft

Bis heute hat die Greco, die ein Jahrzehnt lang mit Michel Piccoli verheiratet war, bei ihren Auftritten riesiges Lampenfieber, zugleich aber könnte sie ohne Bühne und vor allem ohne Publikum nicht sein: "Was mich motiviert, ist die Leidenschaft. Diese Leidenschaft ist wie eine Droge, meine Droge."

In ihren Memoiren äußert sich Juliette Greco jetzt erstmals über ihre enge Beziehung zu Francoise Sagan, die sie 1955, nach dem Erscheinen von "Bonjour Tristesse" kennengelernt hatte, von der sie sich später aber, wegen Sagans Drogenproblem, bewusst entfernte.

"Sie hat mich noch ab und an angerufen, das war aber immer sehr kompliziert, ich wollte sie nicht verletzen. Sie war dann ziemlich isoliert und, sagen wir, ein wenig außerhalb der Welt. Aber ich konnte einfach nicht zuschauen, wie sich jemand zerstört", erzählt Greco.

Von sich selbst sagt die Greco, die Herzinfarkt und Krebserkrankung überstanden hat, sie sei einfach sehr allergisch gegen die Krankheit und deswegen eben immer noch aktiv und sie werde so lange singen, wie irgend möglich, lebe dabei jedoch ständig mit der Angst, dass es aufhört.