Monolog im Rabenhof Theater
Thomas Glavinics "Lisa"
Ein Kriminalfall wird zum Kunstwerk: Das Phantom von Heilbronn war eine Frau ohne Gesicht, nur die DNA-Spuren fand man an Verbrechensorten in ganz Europa. Und das Finale des Kriminalfalls folgte der musikalischen Tradition des klassischen Trugschlusses: alles ein Irrtum.
8. April 2017, 21:58
Der österreichische Autor Thomas Glavinic hat sich davon zu einem Einpersonenstück inspirieren lassen, das am Dienstag, 14. Februar 2012, am Wiener Rabenhof Theater mit Andreas Vitasek uraufgeführt wurde.
Kultur aktuell, 15.02.2012
Ein Mann alleine in einem isolierten Raum - Weinflasche, Koksstraße und Computer als einzige Ablenkung. Er ist geflohen vor Lisa, einer Schwerkriminellen, die auf der ganzen Welt grausame Morde verübt und es nun scheinbar auf ihn abgesehen hat. In einem einsamen Internetmonolog reflektiert er über fast alles - Leben und Sterben, Beziehung und Krankheit, Finanzkrise, Performancekunst, Kinder, Kriminelle, Krebs und Drogen.
In den Kopf des Autors wollte Regisseur Gratzter das Publikum holen, und tut das im wahrsten Sinne des Wortes: Der komplett weiß möblierte Raum suggeriert das Innere eines Schädels und lässt viel Interpretationsmöglichkeiten zu.
Weil sich das Rabenhof Theater als trendige Schnittstelle zwischen Literatur, Kabarett und Theater begreift, würde sich "Lisa" gut als Musterbeispiel eignen, meint Thomas Gratzer. Und trotzdem geht die Rechnung nicht auf. Für ein Kabarett ist der Abend zu pointenarm, für ein Theaterstück zu statisch. Beachtliche Leistung erbringt Andreas Vitasek, der den Text im eineinhalbstündigen Alleingang stemmt.
Misslungener Abend
Der Text verzettelt sich, bleibt oberflächlich amüsant und oft belanglos. Den lebensphilosophischen Betrachtungen des paranoiden Koksers fehlt es an Zuspitzung, die "Lisa"-Teile enthalten zwar grausame Details, vermögen aber keine Spannung zu erzeugen und münden in einem etwas bizarren Schluss.
Thomas Glavinic selbst war bei der Premiere nicht anwesend, im Programmheft wünscht er allerdings dem Publikum gute Unterhaltung - und bittet, weiterzuerzählen, was für einen tollen Abend es hier zu erleben gäbe, damit sich "Thomas Gratzer und sein Team auch einmal eine Flasche Wein leisten können, die mehr als sechs Euro kostet". Freundlicher aber kurzer Applaus - es bleibt zu fürchten, dass man im Rabenhof noch eine Weile mit Supermarkt-Veltliner Vorlieb nehmen muss.
Textfassung: Ruth Halle
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Rabenhof Theater ermäßigten Eintritt (20 Prozent).
Rabenhof Theater