Andreas Dresen verfilmt Tabuthema

Sterben an Krebs

Schon in seinem Film "Wolke Neun" griff der deutsche Regisseur Andreas Dresen ein Tabuthema unserer Gesellschaft auf: Sexualität, Lust und Erotik im Alter. Und auch in seinem neuen Film konfrontiert Dresen das Publikum mit einem Thema, über das gerne geschwiegen wird: Das Sterben.

In seinem Spielfilm "Halt auf freier Strecke", der in Cannes vergangenes Jahr in der Reihe "Un certain regard" ausgezeichnet wurde, begleitet Dresen einen Familienvater und seine Angehörigen von der Diagnose Krebs bis zum Tod.

Mittagsjournal, 23.02.2012

Die erste Szene, die Diagnose des Arztes: ein Hirntumor, nicht operabel, nur noch wenige Monate zu leben. Eine Nachricht, die das Ehepaar Lange ebenso unvorbereitet trifft, wie den Zuschauer.

Der Arzt der das sagt, ist auch im Alltag Arzt. Regisseur Andreas Dresen, hat hier mit Laien und Schauspielern gearbeitet, zudem waren die Dialoge frei improvisiert - ein Umstand, der dem Film während der Dreharbeiten immer wieder überraschende Momente gegeben habe, so Dresen, und zugleich die Stimmung vieler Szenen entscheidend beeinflusst habe.

Keine falschen Sentimentalitäten

Wie geht man mit der Diagnose Krebs um? Was heißt das auch für die Angehörigen, und wie sagt man es den eigenen Kindern. Schonungslos konfrontiert Dresen seine Figuren mit diesen Fragen - und damit auch das Publikum. Er zeigt das Weiterleben zwischen Ohnmacht und Zorn, Überforderung und Schmerz.

Dabei stimmt hier jedes Bild, jeder Ton. Fordert, ohne je voyeuristisch zu wirken oder mit falschen Sentimentalitäten zu spielen. Vor allem in der ersten Hälfte des Films, wenn die Krankheit zwar ständig präsent, aber noch nicht sichtbar ist, bricht Dresen die klaustrophobische Stimmung immer wieder mit Humor: Da hört Frank in den Nachrichten etwa einen Bericht über ihn und seine Krankheit oder der personifizierte Tumor tritt in Harald Schmidts "Late Night Show" auf.

Doch das Lachen hat hier immer auch etwas Beklemmendes, denn man weiß ab der ersten Minute, wie der Film ausgehen wird. Mit Milan Peschel und Steffi Kühnert in den Hauptrollen als Ehepaar Lange begleitet man als Zuschauer eine Familie bis ans Sterbebett des Vaters.

Das alltägliche Sterben

Er habe das Sterben in seiner Alltäglichkeit thematisieren wollen, so Andreas Dresen, dem es dabei gelingt, über kleine Gesten und Sätze zugleich auch etwas Versöhnliches in dieses lange Abschiednehmen zu bringen. Am Ende, nach dem Tod des Vaters, wird die Tochter nur sagen: "Ich gehe zum Training". Wie eine Randnotiz, zurück in den Alltag.

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Pandora Film - Halt auf freier Strecke