Lebensbegleiter Heinrich Heine
Christiane Rösinger über die Liebe
"Kunst kann identifikatorisch sein, man kann Handlungsanweisungen aus der Literatur rausnehmen, dann kann Kunst fast therapeutisch sein", meint Christiane Rösinger, Ex-Lassie-Singer und FM4-Kolumnistin.
27. April 2017, 15:40
Kunst bietet die Möglichkeit, etwas über sich selbst zu erfahren. Sie kann, wenn nötig, Trost spenden, und sie kann das eigene Werk maßgeblich beeinflussen: Die Berliner Sängerin und Autorin Christiane Rösinger, die mit ihrer Band Lassie Singers einst die feministisch orientierte Popgeschichte mitschrieb und die heute, mit Anfang 50, nach wie vor unermüdlich durch die Lande tourt, schöpft aus einer unvermuteten Quelle: Ihr künstlerischer Mentor, der sie ihr ganzes Leben lang begleitet, ist der deutsche Dichter Heinrich Heine.
Christiane Rösinger, Autorin und Musikerin
Heine hat "die Liebe" oft innig besungen.
"Bei uns zu Hause gab es nicht so viele Bücher, meine Eltern waren Bauern, und wir hatten keinen großbürgerlichen Bücherschrank stehen, aber meine Mutter hatte ein paar Bücher. Und da gab es das 'Buch der Lieder' von Heinrich Heine. Ich habe als kleines Mädchen - ich konnte gerade erst ein bisschen lesen - da drin rumgeblättert und war ganz hingerissen. Und wie bei allen großen Schriftstellern ist es auch bei Heine so, dass man in jeder Lebensphase alles noch einmal lesen kann: Als Kind hat mich die Wortwahl interessiert, als Teenager haben mich die Liebesgeschichten fasziniert, und so ging das eigentlich immer weiter mit dem Heine", so Rösinger.
Ein vereinnahmter Begriff
2011 präsentierte Christiane Rösinger ihre erste Solo-CD "Songs of L. and Hate". L. steht dabei für Liebe, ein Begriff, den sie nicht ausschreiben will, weil er bereits allzu sehr vereinnahmt sei. Dem Album beigelegt ist, gleichsam als Verbeugung vor einem, der ebenfalls die Liebe besang, ein Heine-Zitat. Und auch in den Songtexten der Band Britta hat Heinrich Heine, der einst die romantische Attitüde des 19. Jahrhunderts um Ironie und Humor bereicherte, seine Spuren hinterlassen:
"Man kann ihn direkt entdecken, ich habe ganze Lieder vertont. Es gibt ein Gedicht, wo er an die Geliebte schreibt, das hab ich im Lied 'Ich würde Flyer drucken lassen' vertont. Eigentlich sind meine Texte ziemlich durchdrungen davon - die Worte, aber auch die Haltung."
Leben in der "Pärchendiktatur"
Die Liebe, und was aus ihr im Lauf der Jahrhunderte gemacht wurde, ist ein zentrales Thema, das Christiane Rösinger mit ihrem großen Vorbild teilt. Soeben hat Rösinger dazu auch ein neues Buch vorgestellt. Es heißt nach einem gleichnamigen Song: "Liebe wird oft überbewertet".
Das Buch sei eine "Chronik des heutigen Lebensgefühls", vermerkte ein Rezensent. Zur Recherche las Autorin Christiane Rösinger an die 100 Ratgeber für sogenannte Singles. Das Ergebnis der Lektüre: Ernüchterung, denn "wir leben in einer Pärchendiktatur".
Liebe - oder besser gesagt, das Bild, das man sich von ihr macht - wird nicht selten von liebesfernen Faktoren mitbestimmt, konstatiert Christiane Rösinger, unter anderem von Politik und Religion. "Liebe soll für alles herhalten, und das kann sie natürlich nicht, dazu ist sie gar nicht ausgelegt", sagt Rösinger.
Für andere Zwecke missbraucht
Von Heinrich Heine hat Christiane Rösinger nicht nur Worte, sondern auch Haltung übernommen. Heine hat "die Liebe" zwar innig besungen, den allzu oft unerreichbaren Ansprüchen begegnete er jedoch stets mit einem Augenzwinkern. Sein beliebtestes Stilmittel, das auch Rösinger inspirierte, war jedoch die Übertreibung.
Die Vorstellung, was Liebe zu sein hat, wird den Liebenden seit langem weggenommen, meint Christiane Rösinger. Wie schon einst in der Romantik wird die Idee von Liebe auch heute überfrachtet und für andere Zwecke missbraucht. Rösinger unterscheidet daher zwischen Liebe und der in einschlägigen Ratgebern so oft zitierten "RZB" der Romantischen Zweierbeziehung. Ratgeberliteratur ist übrigens nicht gleich Ratgeberliteratur. Den Zeiten und Moden überdauernden Dichter Heinrich Heine kann Christiane Rösinger allen Sinn-, Glücks- und Liebessuchenden uneingeschränkt empfehlen.
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Christiane Rösinger
fm4.ORF.at - Kolumne von Christiane Rösinger