Wegen Schubhaft und Gerichtsgebühren
Menschenrechte: Kritik an Österreich
Obwohl Österreich als Vorbild für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt, kommt es immer wieder zu Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wunde Punkte seien die Schubhaftbedingungen und die hohen Gerichtsgebühren, sagt die österreichische Richterin am Menschenrechtsgerichtshof, Elisabeth Steiner.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.3.2012
Grauzonen und kleine Schandflecken
An sich sei die Menschenrechtssituation in Österreich beruhigend und "wir können da stolz sein auf unser Land", sagt die österreichische Richterin am Menschenrechtsgerichtshof Elisabeth Steiner. Allerdings gebe es "Grauzonen und kleine Schandflecken", die vor allem das Verhalten Österreichs in Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten beträfen. Als Beispiel nennt Steiner, dass es "keinerlei Anwaltszugang in bestimmten Stadien des Verfahrens" gebe, gemeint ist die Schubhaft. Dass müsse geändert werden, fordert die Richterin.
Österreich hat Aufholbedarf
Statt Anwälte habe das Innenministerium mit der Rechtsberatung von Schubhäftlingen zuletzt zwei Vereine beauftragt. Dort, so die Kritik, arbeiteten erstens zum Teil Nicht-Juristen, und zweitens sei einer der Vereine, der "Verein Menschenrechte" ausschließlich vom Innenministerium abhängig und biete auch Rückkehrberatung für Flüchtlinge an - ein Widerspruch, findet Steiner. Schubhäftlinge könnten Anwälte nur in Ausnahmefällen bekommen und nicht von Anfang an, kritisiert die Menschenrechts-Richterin. Österreich habe da als beinahe einziges unter den reichen Mitgliedsstaaten des Europarates Aufholbedarf.
Zugangshürde Gerichtsgebühren
Ein weiterer Kritikpunkt, der alle betrifft, die mit Gerichten zu tun haben: die hohen Gerichtsgebühren und Preise für Kopien von Gerichtsakten - angehoben in den vergangenen Jahren. Dabei gehöre es zu einem freien Zugang zu den Gerichten, dass ein Staat nicht unmäßig hohe Gebühren einhebt, "um den Zugang zu erschweren oder überhaupt auszuschließen", kritisiert Elisabeth Steiner.
Personen mit besonders niedrigem Einkommen können zwar vom Staat Verfahrenshilfe bekommen und müssen dann keine Gerichtsgebühren zahlen, aber "die wird sehr restriktiv gewährt", so Steiner. Sollte sich also jemand an den Menschenrechtsgerichtshof wenden, der zu viel verdient, um Verfahrenshilfe zu bekommen, aber doch zu wenig, um sich ein Gerichtsverfahren zu leisten, würde Österreich womöglich verurteilt, glaubt Richterin Steiner.
Mängel bei Behindertenrechten
Weiters fordert die Menschrechts-Richterin eine rasche Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs durch die geplanten unabhängigen Landesverwaltungsgerichte. Und sie sieht Mängel bei der Umsetzung der Behindertenrechte: Selbst Ministerien halten Behinderten-Beschäftigungsquoten nicht ein, auch bei der Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden bestehe Aufholbedarf - wenngleich in diesen Bereichen kaum Beschwerden beim Menschenrechtsgerichtshof anhängig seien. Steiner ermutigt dazu, "wenn in Bereichen , wo einzelne das Gefühl haben, dass ihnen Unrecht geschehen ist, dass sie verstärkt zu uns kommen, zu Anwälten gehen, die speziell in diesem Gebiet arbeiten und das wahrscheinlich oft auch gratis machen."
Wer eine Menschenrechtsbeschwerde einbringen will, braucht allerdings Ausdauer. Voraussetzung für eine Beschwerde ist, dass die Betroffenen vorher über alle österreichischen Gerichtsinstanzen versucht haben, zu ihrem Recht zu kommen.