3 x "Hamlet" in Wien
Sein oder nicht sein
"Sein oder nicht sein" ist nicht nur eine gleichnamige Komödie von Ernst Lubitsch, die derzeit an den Wiener Kammerspielen zu sehen ist, "Sein oder nicht sein" fragen sich dieser Tage gleich drei Hamlets in verschiedenen Theaterproduktionen in Wien. Allerdings nicht auf den großen Bühnen, sondern an den Spielstätten im TAG, im WUK und im Off Theater.
8. April 2017, 21:58
Obwohl es sich immer um Shakespeare handelt, könnten die Interpretationen und Darbietungen unterschiedlicher nicht sein. Während sich das Stück im Off Theater an den Originaltext hält und eine sehr zeitgemäße Interpretation findet, arbeitet man im TAG mit einem komplett überarbeiteten Text und wählt einen philosophischen Ansatz, und im WUK spielt man mit Hamlet-Klischees und den Erwartungshaltungen des Publikums.
Kulturjournal, 21.03.2012
Auf den (Toten-)Kopf gestellt
Sein oder nicht sein - ein schwarzgekleideter Jüngling, den Blick in die Weite gerichtet, einen Totenschädel in der Hand: Dieses Bild entsteht im Kopf, wenn man an Hamlet denkt, auch dann, wenn man weiß, dass die Totenkopfszene erst viel später als der berühmte Monolog vorkommt. Unzählige Theateraufführungen und Filme haben dafür gesorgt, dass Hamlet zum Allgemeingut geworden ist, dass mit dem Shakespeare-Stück bestimmte Erwartungen verknüpft werden. Und genau mit dieser Erwartungshaltung des Publikums spielt Thomas Schweigen, der Regisseur der Zürcher Gruppe Far a day cage, die im WUK gastiert.
Far A Day Cage beschäftigt sich in seinem Stück mit dem "Hamlet-Phänomen an sich", sagt Schweigen. Und das auf äußerst lustvolle und unkonventionelle Weise: Gewohntes wird auf den Kopf gestellt. Wenn etwa das schon im Titel erwähnte Publikumsgespräch nicht am Ende, sondern zu Beginn der Vorstellung stattfindet.
Die weißgeschminkten Schauspieler erinnern mit ihren grotesk-riesigen Gebissen an Zombie-Clowns, immer wieder wird die Handlung unterbrochen, der Regisseur greift ein, erklärt dem Publikum seine Regieeinfälle und ein Teil der Handlung spielt gar hinter der Bühne. "Vor dem Vorhang ist hinter dem Vorhang", sagt Schweigen dazu.
Kurzweilig, intelligent, humorvoll
Im TAG, dem Theater an der Gumpendorferstraße, spielt man das von der Kritik bejubelte Stück "Hamlet sein". "Ein Theaterabend der Sonderklasse" heißt es da oder "die spannendste Theateraufführung seit langer Zeit in Wien". Kurzweilig, intelligent, humorvoll und rasant ist dieser Hamlet. Gernot Plass, der Regisseur, hat mit einem komplett eigenen Text Shakespeare überschrieben. "Ich entkleide das Stück bis runter zum Maschinenraum", sagt er, "bis zur reinen Handlung. Dort setz ich meine eigenen Dialoge drauf. Aber ich halte mich an die jambischen Formen - das ist die Frechheit dran. Ich steh auf der Schulter eines Theatergotts und benutzte seine Stücke."
Weil er eine philosophische Schlagseite habe, so Gernot Plass, habe er einiges an philosophischen Erkenntnissen hineingebracht: Heidegger und Sartre, den Existenzialismus, Phänomenologie und Ontologie. Trotzdem ist der Abend keineswegs verkopft, sondern sinnlich humorvoll und aktuell. "Ich wollte nicht mit dem Hamlet auf die Krise reagieren", sagt Plass. "Kapitalismuskritik war vor zehn Jahren schon ein alter Hut. Im Jahr 2012 zu kritisieren braucht man nimmer. Ich geh wieder zu den tieferen Fragen des Menschseins und des Seins."
Handeln oder nicht handeln
Regisseur Benjamin Plautz ist der Dritte im Bunde und zeigt mit seinem ensemble 08 seit Februar im Off Theater seine "Hamlet"-Version. Sie spielt in einem Großraumbüro, die Akteure sind mit Smartphones, Laptops und Kameras ausgestattet - und der Geist von Hamlets Vater flimmert als Beamer-Projektion an der Wand.
Handeln oder nicht handeln, das sei die Frage, die sich heute überall stelle, so Plautz: "Die Leute wissen sich gegen ein System aufzulehnen, aber nicht wie sie sich artikulieren sollen."
Dass Hamlet von Shakespeare ein schier unerschöpflicher Pool für Interpretationen und Deutungen ist, zeigen alle drei Produktionen. Sie sind so komplett unterschiedlich, dass man sich getrost alle drei anschauen kann, ohne das Gefühl zu haben, etwas doppelt zu sehen. Und so ist es auch zu verstehen, dass sich alle drei Regisseure über die Ergänzung freuen statt sie als Konkurrenz zu empfinden.
Textfassung: Ruth Halle
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im TAG und im WUK ermäßigten Eintritt.
Far A Day Cage
WUK
TAG
ensemble 08
Off Theater