Occupy World!
Hans Schabus über Kommunikation
"Ich weiß nicht, was Kunst ist. Ich versuche, dem Herr zu werden, was mich umgibt - und das in irgendeine Form zu kriegen oder dem Bilder abzureißen - oder vielmehr zu entreißen." Hans Schabus macht sich ein Bild von der Welt: "Ich und die Welt. Die Welt und ich" – dieses Verhältnis sei die Grundlage seines Tuns, so der bildende Künstler.
27. April 2017, 15:40
Hans Schabus reagiert auf seine Umgebung, er lässt Menschen und Dinge auf sich wirken, er lässt sich von seiner Umgebung formen - und um die Welt versuchsweise fassbar zu machen, fasst er sie seinerseits in eine Form.
"Links und rechts fallen dabei immer wieder Sachen ab", die zur Kunst erklärt und ausgestellt werden, so bescheiden beschreibt Hans Schabus seine Gestaltungsweise. Dabei sei es keineswegs von vornherein seine Absicht, Kunst zu schaffen. Das Bild, das Schabus etwa von Österreich, dem Land, in dem er lebt, geschaffen hat, wurde 2005 bei der Biennale in Venedig ausgestellt:
Es handelte sich um eine von außen uneinnehmbar wirkende Alpenfestung, einen monumentalen scheinbar unbesteigbaren Berg, der aber von innen zu unterwandern war und durch zahlreiche Luken Aussichten aus den verschiedensten Blickwinkeln bot.
Ein Leben der Durchlässigkeit
Soeben unternahm Hans Schabus erneut den Versuch, einem Land ein Bild zu "entreißen". Mehrere Wochen lang hielt sich der Künstler in Sri Lanka auf. Die Insel im Indischen Ozean wirkte wundersam auf ihn - und gleichsam auch durch ihn hindurch:
"Das Leben ist viel unmittelbarer, viel direkter, man ist viel mehr den Elementen ausgesetzt, es ist im Grunde tropisches Klima, und ich habe das Gefühl, es ist ein Leben der Durchlässigkeit. Diese feuchte Luft, die alles besetzt und die durch alles durchgeht, die Materialien lösen sich auf, die Textilien schimmeln, wenn man sie nicht lüftet, jedes Metall rostet innerhalb kürzester Zeit. Alles vergeht, alles ist in einem Durchlauf, und man hat dann fast das Gefühl, dass man selbst durchlässig wird."
Hans Schabus, bildender Künstler
Die "gelungene Kommunikation" Sri Lankas
Auf die anderen schauen
"Durchlässigkeit" kann ein feines Sensorium sein, meint Hans Schabus. Ist jemand durchlässig, lässt er einen Austausch zu. Durchlässigkeit zeichnet einen Künstler aus, der auf die Welt reagiert; von Durchlässigkeit kann aber auch ganz alltägliches Tun geleitet sein:
"Sri Lanka ist ein kommunizierendes Gefäß in sich, die Menschen kommunizieren miteinander. Der Verkehr auf der Hauptverkehrsader, der Galle Road, mutet chaotisch an, aber es ist ein kommunizierender Verkehr. Bei uns - im Gegensatz dazu - kommuniziert niemand mehr, bei uns gibt es Regeln. Da ist die grüne Ampel, da ist der Polizist, da sind die Leitplanken, da ist sind Reglements, die uns die Selbstverantwortung entzogen haben. Uns schreibt das Regelwerk vor, wie wir uns zu verhalten haben, und entsprechend dieses Regelwerks verhalten wir uns dann auch. Das heißt, wenn wir Grün haben, fahren wir ohne nach links und rechts zu schauen."
Die Verkehrsteilnehmer auf der Galle Road in Sri Lanka, so erlebte es Hans Schabus, sind beispielhaft für eine gelungene Kommunikation: "Das heißt, die Straße ist eng, es sind Busse, es sind Autos, es sind Tuktuks, es sind Fahrräder, es sind Fußgänger, die in diesem Verkehrsraum aneinander vorbei müssen! Und entsprechend Geräusche von sich geben, entsprechend wild und schnell sind, aber immer aufeinander schauen, miteinander kommunizieren."
"Artist in Residence" der one world foundation
Als Europäer in ein kolonialisiertes Land zu kommen war für Hans Schabus nicht unproblematisch. Im Bewusstsein, dass hier im Lauf der Jahrhunderte die Bevölkerung ausgebeutet wurde, agieren übrigens auch Schabus' Gastgeber in Sri Lanka: Als späte Reaktion auf die unrühmliche Geschichte - und gewissermaßen, um einen Austausch zwischen den Kontinenten herzustellen - finanziert die von Österreichern gegründete "one world foundation" mittels touristischer Einnahmen Schulen und Ausbildungsstätten für die Inselbevölkerung.
Schabus, "artist in residence" auf Einladung der "one world foundation", wollte sich angesichts der Kolonialvergangenheit zunächst nicht dem Druck aussetzen, in Sri Lanka unbedingt gleich künstlerisch tätig sein zu müssen.
"Das wurde von den Portugiesen, von den Holländern, von den Engländern, ich möchte fast sagen 'niederkolonialisiert'", meint Schabus. "Da kommt man als Europäer hin und wird natürlich sofort als jemand anderer gesehen. Du bist weiß, du hast Geld, du kommst aus dem Westen, da wo eigentlich jeder hin will, und jeder will eigentlich dein Geld - das stell ich einmal so hin. Ich wollte keine Idee haben. Wir Europäer hatten viel zu viele Ideen, was wir mit der Welt anstellen wollten, das ist eigentlich eine große Gemeinheit. Und deswegen war ich anfangs skeptisch oder wollte eigentlich nur mich selbst spüren dort."
Metamorphose eines Fahrrades
Während seines Aufenthaltes in Sri Lanka erhielt Hans Schabus die Einladung, an der Kunstbiennale in Colombo teilzunehmen. Internationale Künstler sollten dafür Veränderungsprozesse - Metamorphosen des Alltagslebens - visualisieren. Schabus erklärte ein klappriges Fahrrad zum Kunstobjekt: Es war ein Gefährt, das seinen Alltag in Sri Lanka bestimmte, und das dort nahezu jedermann als Fortbewegungsmittel nutzt. Schabus verchromte sein halb verrostetes Rad und fuhr damit nach Colombo.
Ab Freitag, 30. März 2012, ist es übrigens, zusammen mit Werken anderer "artist in residence"-Künstler, unter dem Titel "Air Sri Lanka" in der Galerie Krinzinger/Projekte in der Wiener Schottenfeldgasse zu besichtigen. Der Rost wird sich, so Schabus, im Lauf der Zeit durch das Chrom fressen und die glänzende Oberfläche zum durchlässigen Material machen. Für den Betrachter stellt das Rad ein Angebot dar:
"Die Kunst - wenn wir von der Kunst schon so reden wollen - ist im besten Fall auch ein Angebot der Kommunikation, das ist eine Einladung an mein Gegenüber zu kommunizieren. Kunst kann ja verschiedenartigst ausschauen. Das kann ein abstraktes Gemälde sein, das kann eine große Skulptur sein das kann eine Streichholzschachtel sein. Das kann in dem Fall ein Rad sein, das verspiegelt die Umgebung in sich aufnimmt und reflektiert."
Zurück zur Eigenverantwortung
Was Hans Schabus außer dem rostenden Rad noch aus Sri Lanka nach Europa mitgebracht hat? Er könne hierzulande das Wort "Krise" und die Rufe nach Rettung nicht mehr hören, sagt Schabus. Rettung könne nicht verordnet, sie kann nur gemeinschaftlich bewirkt werden. So wie die Radfahrer auf der Galle Road verantwortungsbewusst nach selbstgewählten Regeln leben, könnte auch eine funktionierende Gesellschaft auf den verschiedenen Kontinenten aussehen.
Hans Schabus plädiert für eine länderübergreifende Besatzung der etwas anderen Art: "Ich denke, es ist notwendig, sich immer wieder selbst hinauszuholen aus dem gewohnten Kontext." Seine Aufforderung an alle lautet: "Reißt die Mauern nieder, holt euch den öffentlichen Raum zurück, lasst uns aufhören, die Verantwortlichen zu suchen, lasst uns die Verantwortung selbst nehmen. Ich kann nur sagen: Occupy world!"
Service
Biennale 2005 - Hans Schabus
one world foundation Sri Lanka