"Winterreise" im Akademietheater

8. April 2017, 21:58

Das Stück, das in Deutschland bereits an vielen Orten aufgeführt worden ist, ist zum Stück des Jahres 2011 gewählt worden und hat den Mühlheimer Dramatikerpreis erhalten. Jelineks "Wintereise" nimmt immer wieder auf Franz Schuberts berühmten Liedzyklus Bezug.

Zum berühmten letzten Lied aus Franz Schuberts "Winterreise", dem "Leiermann", spricht die Schauspielerin Barbara Petrisch eine Jelinek'sche Variation. Es sei bei ihr zwar immer die alte Leier, aber das Lied sei doch immer anders. Und wirklich viele Themen des Universums der Elfriede Jelinek sind hier wieder vereinigt, der Fall Kampusch, die Finanzspekulationen, die verdinglichte Sexualität in Internet-Partnerbörsen, aber auch ihre eigene Familie. Am Akademietheater inszeniert der Schweizer Regisseur Stefan Bachmann.

Der deutsche Rocksänger Jan Plewka ist Teil des Ensembles, das aus drei Schauspielerinnen und Schauspielern besteht, die an Seilen befestigt auf einer fast senkrecht stehenden schwarzen Wand Jelineks Texte sprechen. Doch auch die Urtexte der Schubert'schen Winterreise sprechen in dieser Aufführung von der vollkommen zurückgezogen lebenden österreichischen Literaturnobelpreisträgerin, die auch vielleicht wie den winterlichen Wanderer die Frage beschäftigt, was sie denn begangen habe.

An den Münchner Kammerspielen fand vor mehr als einem Jahr die Uraufführung statt, in Berlin und vielen anderen deutschen Städten wurde die "Wintereise" bisher nachgespielt. Es scheint jedenfalls so, dass man an den Theatern im In- und Ausland Elfriede Jelineks "Alte Leier" gerne hören will, im Gegensatz zum Chor der Schifahrer, die in der Aufführung des Akademietheaters die pessimistischen Worte der Dichterin mit ihrem Gute-Laune-Hüttenchor übertönen.

Textfassung: Ruth Halle