Stationen in Salzburg und Wien

Jessica Durlacher auf Lesereise

"Der Sohn" heißt der neue, preisgekrönte Roman der niederländischen Schriftstellerin Jessica Durlacher. Es geht um den Völkermord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Der Vater der Autorin hat als einziger aus seiner Familie Auschwitz überlebt.

Kultur aktuell, 17.04.2012

Sein Schicksal hat Jessica Durlacher in dem Roman verarbeitet. "Der Sohn" ist in den Niederlanden als bestes Buch des Jahres 2010 ausgezeichnet worden.

"Gewalt" ist gar nicht das Thema

Der "Verführung" zum Lesen ihres jüngsten Romans "Der Sohn" kann man sich längstens dann nicht mehr entziehen, wenn die Ich-Erzählerin beim Joggen fast vergewaltigt wird und auch die Familie Opfer wird, dann packt einen das Grauen und man legt das Buch nicht mehr aus der Hand. Dabei ist "Gewalt" gar nicht das eigentliche Thema der Schriftstellerin.

Auf vielfache Weise sind das Leben der Ich-Erzählerin, ihres jüdischen Vaters und das Schicksal des Täters ineinander verwoben, in jeder Generation. Schließlich wird der Sohn den Knoten durchschlagen: "Versprich mir, dass du nie so machtlos sein wirst wie ich", hatte der Großvater zu seinem Enkel gesagt. Der versteht - oder missversteht - diesen Satz als Ermunterung zur Selbstjustiz.

Der Umgang mit der Geschichte

Jessica Durlacher lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Leon de Winter, sowohl in den Niederlanden als auch in den USA. Der Umgang der beiden Länder mit der Judenvernichtung sei ganz unterschiedlich, sagt Durlacher: In den Niederlanden, da leben die Leute mittendrin in der Geschichte.

Wie nahe die Geschichte immer noch ist, hat Jessica Durlacher und ihrem Mann nicht zuletzt das Gedicht von Günther Grass klar gemacht. Mit dem Entsetzen allein hat sich das Paar nicht zufrieden gegeben: Leon die Winter hat in Gedichtform geantwortet, "Günter schenkt den Juden ein Gedicht", das war sehr, sehr hart, sagt Jessica Durlacher.

Textfassung: Walter Gerischer-Landrock

Service

Heute, am 17. April 2012, stellt Jessica Durlacher ihren Roman um 18:30 Uhr im Jüdischen Museum Wien vor.