Welt und Bühne

Die "Café Sonntag"-Glosse von Joesi Prokopetz

Machen wir uns zunächst von allen Klischees und Plattitüden frei, wie "Die ganze Welt ist Bühne, wir müssen alle unsere Rollen spielen, bis der Vorhang fällt...usw...usf."

Prokopetz liest Prokopetz

Die Welt ist alles, was der Fall ist.
Ludwig Wittgenstein
Die Bühne Maya
Frei nach Waldemar Bonsels

Allerdings, sich von Gemeinplätzen zu befreien, heißt zugleich, sich zunächst gerade mit ihnen zu befassen. Und, dass sich Vergleiche von Welt und Bühne, von Leben, Stück und Rolle aufdrängen, liegt in der Natur der Sache, ist doch die Bühne, das Theater, Teil dieser Welt und wird auf ihr gezeigt, wie die Welt sein oder nicht sein sollte.

Dennoch greifen die vordergründigen Assoziationen zu kurz, denn wenn schon Parallelen und Wechselwirkungen von Welt und Bühne hergestellt werden, so ist mit Blick auf die aktuelle Weltenbühne doch zu fragen, wer spielt Hauptrollen und wer verkümmert in der Statisterie, wer und wie viele spielen mit und wer und wie viele sitzen im Publikum als nützliche Szenen-Applaus- und Standing-Ovations- Idioten? Und wer sitzt dabei in der ersten Reihe, wer im Parterre oder in den Logen und wer sitzt auf den billigen Plätzen, womöglich mit Sichtbehinderung und wer holt sich auf den Stehplätzen im Laufe der Zeit Spondylarthrose?

Wer führt Regie? Wer sagt, wann wer wie von wo auftritt und wann er wie abtritt? Welches Stück wird gespielt? Vor allem: Wer hat es geschrieben? Wer hat es genehmigt? Wer hat gesagt, das passt auf die Bühne Welt? Wer hat uns die Worte in den Mund gelegt, die wir so überzeugend sprechen müssen, als wären es unsere eigenen?

Wer entscheidet das alles in letzter Konsequenz? Der Regisseur oder der Theaterdirektor oder der Kulturstadtrat oder gar das Publikum, der Wähler gewissermaßen?

Und wenn das alles entschieden ist, dann geht's erst wirklich ans Eingemachte, das man sich vorher aber ausmacht. Stichwort Maske, haha. Welche Maske setzen wir uns auf, bzw. welche Maske wird uns aufgesetzt? Lässt sie uns älter, jünger, gescheiter, dümmer erscheinen?

Und: Zeigen wir nicht gerade in der Wahl der Maske unser wahres Gesicht? Und die Frage der Garderobe. In welches Gewand, in welche Rolle haben wir zu schlüpfen? Sind wir vorlaute, alerte Modegecken oder müssen wir plump, als Zielscheibe des Gelächters, in einer Eisenrüstung auftreten, heißen wir Magister, Doktor gar oder hüpfen wir entfesselt im Hanswurst-Kostüm mit Schellenmütze herum?
Nur die wenigstens können sich ihre Rollen aussuchen, die anderen werden besetzt und die meisten müssen froh sein, wenn sie überhaupt eine Rolle kriegen.

Der Rest ist Schweigen...
...Vorhang.