Betrand Bonellos "Haus der Sünde"

Alltag im Bordell

Im "L'Apollonide" treffen sich die Herren der besseren Pariser Gesellschaft, also in einem Amüsierbetrieb an der Wende zum 20. Jahrhundert. "L'Apollonide" nennt auch der französische Regisseur Betrand Bonello seinen Film im Original (dt. "Haus der Sünde"), in dem er hinter die Kulissen dieses Bordells schaut und dabei auch überraschende Entdeckungen macht.

Kultur aktuell, 24.05.2012

Ein entspannter Abend in einem Pariser Nobelbordell im Jahr 1899. Die Männer treiben harmlose Spielchen mit den Damen, man pflegt höfliche Umgangsformen, übt sich in Small-talk, auf einem Sofa langweilt sich die schwarze Raubkatze eines Kunden, die Zeit scheint stehen geblieben. Doch irgendwann kommt man dann doch zur Sache.

Solidarität unter den Prostituierten

Der französische Regisseur Bertrand Bonello rekonstruiert fast wie ein Soziologe den Bordell-Alltag, zeigt Gewohnheiten und Rituale von der amtlichen Gesundheitskontrolle über gemeinsame Mahlzeiten bis hin zu gelegentlichen Ausflügen ins Grüne. Die Frauen unterhalten sich über Sex-Praktiken, geben sich Ratschläge, auch die Hygiene wird groß geschrieben.

Die Solidarität unter den Prostituierten sei paradox, meint Regisseur Bertrand Bonello, das Bordell sei einerseits ein geschützter Raum, andererseits gäbe es aber auch Krankheiten und tödliche Gefahren.

Klare Abhängigkeiten

Der Einbruch des Horrors in dieses Freudenhaus ist trotz aller Zwanglosigkeit unübersehbar, nicht nur weil aus einem Kunden mit der Fantasie auch die körperliche Gewalt herausbricht. Geschlechtskrankheiten, Drogen, Illusionen, einer der Freier könnte als Erlöser auftreten, erweisen sich als trügerisch. Die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der Bordellbesitzerin und den Frauen sind klar.

Keineswegs spekulativ

Zwischen Champagnerbad und der dekadenten Attitüde des Fin de Siècle herrscht traurige Melancholie. Bertrand Bonello findet sie nicht zuletzt in der Malerei: "Vor allem Bilder der Zeit, auf denen man Alltagsvorgänge wie waschen oder das Bürsten der Haare sieht, haben mich da inspiriert", meint Bonello, der jegliche spekulative, voyeuristische oder moralische Ausbeutung seines Untersuchungsgegenstands verweigert. Er trägt die Wirklichkeit mit Samthandschuhen und dennoch unmissverständlich in dieses "Haus der Sünde" hinein, wieder einmal ein grob in die Irre führender deutscher Verleihtitel.

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IMDb - Haus der Sünde