Humor
Die Café-Sonntag Glosse von Franz Schuh
Eigentlich wollte ich nur erklären, warum Humortheoretiker so unbeliebt sind. Humortheoretiker - das sind Menschen, die definieren, was und warum etwas lustig ist.
8. April 2017, 21:58
Mich interessiert die Humortheorie mehr als der Humor selber - wie mich manchmal die Kunsttheorie mehr interessiert als die Kunst selber. Das darf nicht sein, das ist eine Perversion in die andere als in die gegenwärtig herrschende Richtung.
Gegenwärtig herrscht in unseren Breiten einerseits eine auffällige Zufriedenheit mit der eigenen Unzufriedenheit. Der Philosoph Rudolf Burger nannte das ein "saturiertes Unbehagen". Das saturierte Unbehagen schafft zwiespältige Aussagen, von der Art, es muss sich alles ändern, aber was eigentlich alles (außer alles) ist - davon weiß man nichts Genaues.
Weil man sich so sicher ist, dass es so nicht weitergehen kann, kompensiert man mit Allgemeinplätzen, dass man eigentlich gar nix anders haben will. Das macht die Anziehungskraft von Roland Düringer bis zum Dalai Lama aus, beide streben in Österreich die Massenerleuchtung an, wobei der Dalai Lama allerdings über seine Weisheit hinaus ein nachvollziehbares politisches Projekt hat.
Sonst herrscht in unseren Breiten ja das Ungefähre, und im Unbehagen am Ungefähren, in dem man sich verlieren kann, liegt - andererseits - die ganze Hoffnung auf dem Unmittelbaren, auf dem Unbefragbaren, auf der Spontaneität.
Hören Sie bitte, mit welchen Worten eine große deutsche Zeitung den großen Gerhard Polt, den Felsen in der Brandung unserer Witzlosigkeit, geheiligt hat: "Mit Polt ist es wie mit Mozart. Oder mit den Alpen. Was soll man schon darüber sagen. Man kann so etwas betrachten. Hinhören. Sich inwendig freuen an der ganzen Pracht. Sobald man darüber redet, macht man sich schon zum Deppen. Würde man alle Humortheoretiker des Landes vor Gerhard Polt aufbauen und sie würden ihre Erklärungsversuche abgeben, Polt würde dastehen, massiv schweigend, das ganze Gerede in sich verschwinden lassen, die Achsel zucken und sagen: Ja, mei."
Ja mei - würdelos ist die Anbetung der Größe durch den Redakteur ja nicht. Sie ist auch nicht ganz falsch, weil sie ja halbrichtig ist. Aber stärker als die analytische Kraft scheint der Wunsch durch, aus einem menschlichen Phänomen, aus der Komik Polts, ein Naturereignis zu machen. Erst ist er noch wie Mozart, dann aber schon wie die Alpen, und ich erinnere an die avantgardistische Idee, die Alpen einzubetonieren, also aus dem Naturereignis endlich eine menschliche Misere zu machen.
Heute findet man selbst im Witzbetrieb die Sehnsucht nach einer -wenigstens in ihrem Beruf - übermenschlichen Person, die alles zum Schweigen bringt, vor allem die Theoretiker, die - da sie doch eh nichts zu sagen haben - die Gelegenheit ergreifen sollen, wirklich nix zu sagen.
Das Lachen ist der Inbegriff des Spontanen. Gegen den Lachreiz kann man sich kaum wehren, er wirkt unkontrolliert und macht den Lacher wehrlos. Wehrlosigkeit (ohne folgenreiche Hingabe) ist aber beliebt: Man will in seiner Unmittelbarkeit nicht gestört sein, und schon gar nicht von Theorien, und so sagt der große Alf Poier, sich durchaus ein buddhistisches Rezept zu eigen machend: "Ich möcht einfach a Butterbrot (so) streichen, dass i an nix anders denk." - Ich auch, weil i mi sonst einischneid, aber als Bedenkenträger gebe ich zu bedenken, dass im Abendland nicht nur die Unmittelbarkeit, sondern auch das Nachdenken gepflegt wird. Also nicht gleich Depp sagen, zum Theoretiker - auch wenn er scheitert.