The Essence im Wiener Künstlerhaus
Jahresbilanz der "Angewandten"
Als Höhepunkt des vergangenen Studienjahres zeigen Studierende und Absolventen der Universität für Angewandte Kunst Einzel- und Gruppenarbeiten im Wiener Künstlerhaus. Wie in den vergangenen Jahren wurde die Schau von Edek Bartz konzipiert.
8. April 2017, 21:58
So vielfältig wie die Studienrichtungen der Angewandten, sind auch die künstlerischen Projekte, die in der Überblicksschau "Essence 20122 präsentiert werden. Die Ausstellung spannt einen Bogen von Architektur über Sprachkunst bis hin zum Thema Restaurierung.
Feuerwerk aus Farben und Formen
Im 20-Sekunden-Takt schaltet sich der Schleudergang einer Waschmaschine ein, die befestigt an einem Baugerüst von der Decke baumelt. Eine Skulptur, so reduziert wie visuell einnehmend hat Milan Mladenovic, Student der Klasse für Transmediale Kunst, gestaltet. Auf der Jahresausstellung "The Essence" präsentiert Mladenovic mit seinem "Waschmaschinenraum" - so der Titel der Arbeit - ein skulpturales Versatzstück, herausgeschält aus einer opulenten Installation, die der Künstler in den vergangenen drei Jahren (wie einst Kurt Schwitters den Merzbau) in seiner Privatwohnung gebaut hat.
Ein Zimmer seiner Wohnung hat Mladenovic mit Waschmittel- und Weichspüleretiketten, plastikverschweißten Produkten und Verpackungsmaterial austapeziert. Eine Materialschlacht, die den Raum visuell zum abstrakten Gemälde werden lässt. Ein Feuerwerk aus Farben und Formen, das im Gegensatz zur nüchternen und klaren Sprache der Waschmaschinenskulptur steht, die jetzt im Künstlerhaus zu sehen ist. Nicht weniger nüchtern wirkt die Drahtskulptur von Milan Mladenovics Studienkollegin Suzie Léger, die ebenfalls Studentin der von Brigitte Kowanz geleiteten Klasse für Transmediale Kunst ist.
Die Verkaufstexte und Beipackzettel der Kunst
Ihrer Arbeit liegt eine interessante Idee zugrunde. Suzie Léger baut Kunstwerke nach, die sie selber nie gesehen hat. Ausgehend von Texten, die ein Kunstwerk beschreiben sollen, gestaltet sie eigene Objekte, die mit dem Original oft nicht viel zu tun haben. Ein nicht zuletzt ironischer Kommentar, der einiges über die Schmuckrhetorik von Ausstellungs- und Verkaufstexten aussagt, die zeitgenössische Kunstwerke umgeben.
Geht man in der "Essence"-Ausstellung einige Räume weiter, findet sich erneut ein Nachbau. Als "Wunschraum" wird diese begehbare Rauminstallation bezeichnet, die den Besucher zum Eintreten einlädt. Bei der näheren Beschreibung der Arbeit schlägt die freudige Erwartung, die der Titel evoziert, aber schnell in Entsetzung um. Da ist nämlich zu lesen: "280cm mal 180cm mal 240 cm. Konzept: Wolfgang Priklopil." Aus einfachen Spanplatten haben Stephan Göschl, Philipp Daun und Stefan Pointner Natascha Kampuschs Verließ nachgebaut. "Wir haben den Titel so gewählt, dass er in die Irre führt. Man soll hineingehen und den Raum für sich entdecken, ohne voreingenommen zu sein. Vielleicht finden manche den Raum, bevor sie wissen, dass es sich um einen Nachbau von Natascha Kampuschs Zimmer handelt, gemütlich. Vielleicht denken manche: So könnte mein Kinderzimmer ausgesehen haben. Wenn man den Hintergrund kennt, bleibt natürlich ein bitterer Nachgeschmack zurück.", sagt Stephan Göschl.
Wenn das Heimelige unheimlich wird
Einen bitteren Nachgeschmack vermittelt auch die Diplomarbeit von Benjamin Eichhorn. Er hat eine Kletterlandschaft für Hauskatzen im monströsen Maßstab nachgebaut. Eichhorns verästelte Konstruktion ist mehrere Meter hoch und mit rosa Plüsch bespannt. Dem Unheimliche, das sich hinter dem Heimeligen verbirgt, ist Eichhorn mit seinen Arbeiten auf der Spur.
"Benjamin Eichhorn beschäftigt sich dem Heim, mit Gemütlichkeit, mit Dekor und damit wie das Heimelige ins Abgründige kippen kann. Seine Arbeiten sind an dieser Schwelle angesiedelt. Diese Katzenmöbellandschaft ist ja so gigantisch und ausufernd, dass sie schon wieder unheimlich wird.", sagt Gabriele Rothemann, Professorin der Fotografieklasse.
Wie jedes Jahr bietet "The Essence" einen beeindruckenden Überblick über das vielfältige künstlerische Schaffen an der Universität für Angewandte Kunst. Das Institut für Konservierung und Restaurierung etwa widmete sich im vergangenen Studienjahr der Restaurierung eines jüdischen Friedhofs in Wien Währing, der in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört worden ist. Ein Semesterprojekt, das Studierende der Fotoklasse dokumentiert haben.
"Ich finde es sehr spannend, dass bei solchen Projekten das Interesse dafür entsteht, was in einer anderen Klasse gelehrt wird. Die Fotografen haben sich plötzlich für die Arbeit der Restauratoren interessiert und daraus kann dann wieder eine neue interessante Möglichkeit entstehen.", so Edek Bartz, der wie schon in den vergangenen Jahren die "Essence" konzipiert hat.
Die Ausstellung "Essence 2012", in der Arbeiten von Studierenden der Universität für Angewandte Kunst gezeigt werden, ist ab morgen im Künstlerhaus Wien zu sehen.