D: Beamte vernichteten Neonazi-Akten

Noch immer nicht sind alle Fragen rund um die Zwickauer Terrorzelle in Deutschland geklärt. Dass es Pannen der Sicherheitsbehörden in diesem Fall gegeben hat, ist mittlerweile klar. Ein eigener Untersuchungsausschuss beschäftigt sich damit. Jetzt ist aber bekannt geworden, dass auch mögliche wichtige Akten vernichtet wurden - ausgerechnet von einem Beamten des Verfassungsschutzes.

Mittagsjournal, 29.6.2012

Aus Berlin berichtet Johannes Marlovits.

Akten vernichtet

Dilettantischer kann es fast nicht mehr gehen. Am 11. November des letzten Jahres sollten Beamte des Verfassungsschutzes Akten zusammenstellen, und zwar für die Bundesanwaltschaft. Diese hat nämlich damals die Ermittlungen an sich gezogen, nachdem das Ausmaß der Taten der Zwickauer Terrorzelle offenbar wurde. Aber die Ermittler des Verfassungsschutzes haben nicht zusammengestellt, sondern vernichtet, konkret ein Referatsleiter. Gegen ihn ist zwar mittlerweile ein disziplinarrechtliches Prüfverfahren im Gang, aber dass die Vernichtung der Akten erst jetzt bekannt wurde, ist für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses ein Skandal. Die Obfrau Eva Högl von der SPD fordert vom Innenminister lückenlose Aufklärung, "ob damit Fehler der Ermittlungsbehörden vertuscht werden sollten".

Wut und Empörung

Es geht um Akten der sogenannten Operation Rennsteig, die 1997 gestartet wurde. Mit ihr sollten mehr Informationen über den rechtsextremen Thüringer Heimatschutz gewonnen werden, dem auch das Zwickauer Trio angehörte. Zahlreiche Mitlieder des Heimatschutzes wurden angesprochen, um sie eventuell als V-Leute anzuwerben. Sieben Akten über diese Operation wurden im Vorjahr vernichtet. Der Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Zierke musste sich am Donnerstag vor dem U-Ausschuss äußern. Er gab war einige Fehler zu, ließ aber offen, wo diese passiert sind. Der Vorsitzende des U-Ausschusses Sebastian Edathy ist darüber wütend, vermisst Einsicht in Fehler und kritisiert Selbstgerechtigkeit, Selbstherrlichkeit, und Arroganz.

Der angesprochene BKA-Chef ist ebenfalls empört, aber über die Mitglieder des Ausschusses, die "Kaskaden von Argumenten aneinandergereiht und zugleich eine Bewertung abgaben" und ihn zu den Einzelpunkten gar nicht hören wollten.

Hoffnung auf Rekonstruktion

Was bleibt ist die Frage, ob das Zwickauer Trio, das sich Nationalsozialistischer Untergrund, kurz NSU genannt hat, auf der Liste der V-Leute und damit Helfer der Sicherheitsbehörden war. Man hofft, die zerstörten Listen mit anderen Aufzeichnungen rekonstruieren zu können. Denn zwei Mitglieder der NSU-Gruppe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt können nichts mehr sagen, sie haben sich selbst getötet. Und Beate Tschäpe, das dritte Mitglied der Terrorzelle, schweigt bis jetzt beharrlich.