Kassen lehnen Bonussystem ab
Wer gesund wird oder gesund bleibt, muss bei der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) künftig nur den halben Selbstbehalt zahlen. Die Reaktionen der Gebietskrankenkassen sind zwiespältig. Einerseits gibt es Lob, weil sich die SVA darum bemüht, dass ihre Versicherten gesünder leben. Die Art, wie das geschieht, stößt aber nicht überall auf Zustimmung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.7.2012
Überzeugen statt Lockangebote
Schon rein rechtlich gesehen wäre es den Gebietskrankenkassen nicht möglich, ein ähnliches System einzuführen wie die SVA. Denn wer bei einer Gebietskrankenkasse versichert ist, zahlt beim Arztbesuch keinen standardisierten Selbstbehalt mit Ausnahme der Rezeptgebühr, sagt Arno Melitopulos von der Tiroler Gebietskrankenkasse. Man setze eher auf Überzeugung der Menschen als auf "Lockangebote".
Widerspruch zu Solidaritätsprinzip
Aber die rechtlichen Voraussetzungen sind nur ein Grund, weshalb Harald Seiss von der Salzburger Gebietskrankenkasse das Modell der SVA nicht kopieren will - selbst wenn er es könnte: "Der Grundgedanke einer Sozialversicherung ist ja die Solidarität, dass die Gesunden für die Kranken zahlen, dass die die mehr verdienen, für die mitzahlen, die weniger verdienen, dass die Jungen die Älteren Menschen miterhalten. Ein Prinzip, wo man weniger einzahlt, wenn man gesund ist, passt nicht in dieses System."
Begrenzter Einfluss des Lebensstils
Eine finanzielle Belohnung fürs gesund sein oder gesund bleiben - Jan Pazourek von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse sieht das kritisch. Denn der oder die einzelne könne nur bedingt etwas dafür, wenn er oder sie krank wird: Das Krankheitsrisiko sei nur sehr wenig beeinflusst vom persönlichen Verhalten. Der persönliche Lebensstil habe nur einen Anteil von zehn bis 15 Prozent am Zustandekommen von Gesundheit oder Krankheit." Weit wichtiger seien etwa genetische Voraussetzungen, das soziale Umfeld, der Bildungsgrad, das Einkommen oder der soziale Status.
Abschreckende Selbstbehalte
Andrea Wiesenauer von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse bezweifelt die Sinnhaftigkeit von Selbstbehalten an sich. Wissenschaftliche Analysen hätten gezeigt, dass Selbstbehalte keine steuernde Wirkung hätten sondern Menschen eher davon abhalten, notwenige Leistungen in Anspruch zu nehmen - besonders wenn es um sozial Schwache geht. Und das erhöhe letztlich die Kosten im Gesundheitswesen.
Aktiv an die Versicherten herantreten, sie gezielt zu Vorsorgeuntersuchungen einladen und ordentlich informieren, statt mit finanziellen Zuckerln zu werben - so will man bei den Gebietskrankenkassen die Versicherten von einer gesünderen Lebensweise überzeugen.