Welt-Aids-Konferenz: Steigende Infektionsraten

HIV-positiv - diese Diagnose galt lange Zeit als Todesurteil. Umso wichtiger wäre es, die mittlerweile verfügbaren Medikamente den Menschen in armen Ländern zugänglich zu machen. Dieses ist nur eines der Themen der Welt-Aids-Konferenz in Washington.

Morgenjournal, 23.7.2012

Wolfgang Geier berichtet aus Washington.

Optimismus unter Aids-Forschern

"Gemeinsam das Blatt wenden" - so lautet der Arbeitstitel der einwöchigen Aids-Konferenz in Washington. Der optimistische Titel scheint begründet, selten zuvor haben sich Experten und Wissenschafter so zuversichtlich gezeigt.

Immer besserer Medikamente zur Vorbeugung und zur Behandlung der Krankeit AIDS begründen diesen Optimismus. Erst vor knapp zwei Wochen ist hier in den USA das Medikament Truvada für den Markt zugelassen worden. Es soll Risikogruppen vor einer Infektion mit dem HI-Virus schützen. Dr. Robert Grant von der University of California zählt zu den einflussreichsten Aids-Forschern der USA. Das neue Medikament bezeichnet er als Meilenstein: "Wir sehen zum ersten Mal die Möglichkeit, die Aids-Epidemie zu beenden. Die regelmäßige Einnahme hat die Infektionsrate mit HIV um 90 Prozent sinken lassen."

Hilfsorganisationen skeptisch

Scott Owens hat an der Testreihe mit Truvada teilgenommen. Das Medikament verhindert die Ausbreitung des Virus im Körper. Auch er ortet eine Trendwende: "Es ist kein Todesurteil mehr wie vor 20 Jahren."

Bei all dem Optimismus befürchten Hilfsorganisationen, dass die Aussicht auf das neue Mittel rasch die Vorsicht vieler Menschen sinken lässt und dadurch die Eindämmung des Virus wiederum erschwert wird. So argumentiert auch Michael Weinstein von der Aids Healthcare Foundation: "Wenn es heißt, schluck nur eine Pille, dann wird die Bereitschaft Kondome zu verwenden nachlassen."

Dazu kommt, dass die Therapie mit dem neuen Wirkstoff teuer ist. Sie kostet bis zu 14.000 Dollar pro Jahr. Eine Summe, die für viele Betroffene in weiten Teilen der Welt schlichtweg unerschwinglich ist.

Mehr Infizierte in Osteuropa, Asien und Nordafrika

Tatsächlich machen den Aids-Forschern, trotz aller Behandlungserfolge, steigende HIV-Infektionsraten zu schaffen; in Osteuropa, Asien, dem Mittleren Osten und in Nordafrika. Die Vereinten Nationen haben erst vor wenigen Tagen auf diese Entwicklung reagiert und einen Sondergesandten für Osteuropa und Zentralasien eingesetzt. Laut UNO ist die Zahl der Neuinfektionen mit dem HI-Virus in diesen Regionen mit insgesamt 22 Prozent weltweit am stärksten angestiegen.

Die 19. AIDS-Konferenz findet übrigens zum ersten Mal in den USA statt. Denn das seit 1987 bestehende Einreiseverbot für HIV-infizierte Personen ist erst vor zwei Jahren aufgehoben worden.