Italien: Die Krise im Kleinen

Die Schuldenkrise frisst sich in Italien tief in die Leben der Menschen und in die einst blühenden Landschaften hinein. Auch in früheren Tourismusgegenden herrscht Flaute, denn viele Italiener haben einfach kein Geld mehr, um kostspielige Reisen zu machen.

Mittagsjournal, 11.8.2012

ORF-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder berichtet aus Italien.

Bürgermeiser: "Die Krise trifft jetzt alle"

Der kleine Ort Anguillara, rund 30 Kilometer von Rom entfernt, liegt malerisch am Bracciano See, einem Vulkansee, der zur Topliste der saubersten Gewässern Italiens gehört. Anguillara ist seither ein beliebstes Ausflugs- und Urlaubsziel. Nicht so heuer, erzählt uns der Bürgermeister, Francesco Pizzorno: "Es ist dramatisch. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren und sie wissen nicht weiter. Sie haben keine Perspektiven und daher auch keine Kraft, nach vorne zu schauen. Es ist sehr schwierig zur Zeit."

Während wir uns im Gemeindeamt im mittelalterlichen Zentrum aufhalten, vereinbaren etliche Geschäftsleute Termine mit dem Bürgermeister. Ihr Thema sei die Krise, sagt Pizzorno: "Ich sehe, dass sich bereits die Betreiber kleiner Supermärkte oder die Lebensmittelhändler beklagen. Das waren die, die hier bisher der Krise am besten standgehalten haben. Denn auf das Essen verzichtet man als letztes. Jetzt hingegen trifft sie alle."

"Es gibt keine Arbeit für uns"

Wir sehen uns in der 17.000-Seelengemeinde um, deren historisches Zentrum sich auf einem Felsen erstreckt. Anguillara war immer ein Anziehungspunkt für Künstler und für Wassersportler. In einer der verwinkelten Gassen liegt das Geschäft von Antonella de Simoni. Sie ist auf Surfartikel spezialisiert. "Es gibt keine Arbeit für uns. Es kommen keine Leute, es fließt kein Geld. Normalerweise ging das Geschäft in der Sommersaison sehr gut. Jetzt kommen nur ganz wenige. Wir sind daher sehr besorgt", sagt sie.

Vor dreizehn Jahren, erzählt de Simoni, habe sie das kleine Geschäft eröffnet. Jetzt sei sie verzweifelt auf der Suche nach einer Rettung. Denn eigentlich sei sie pleite: "Ich habe meine ganze Energeie da hineingesteckt. Schließen wäre für mich ganz schlimm. Außerdem, was passiert dann? Es gibt ja keine Arbeitsplätze. Also versuche ich auf alle Fälle, das hier durchzustehen."

Kleinunternehmer fürchten um ihre Existenz

Der Anziehungspunkt in Anguillara ist der See mit seinem schwarzen Lavasand. Doch diesmal sind die Strände fast leer. Die Menschen bleiben trotz Temperaturen um 40 Grad aus. Selbst die Tagesausflügler, beklagt die Besitzerin der direkt am See gelegenen Bar "Il Paradiso", Rita Moscatelli: "Zu mir kamen meist Familien, die sich den ganzen Tag hier aufhielten. Die sind weg. Ich glaube, auch wegen der hohen Benzinkosten. Es kostet schon zuviel, von Rom her zu pendeln. Wir spüren die Krise daher sehr stark. Es kommen kaum Gäste und die, die kommen, die bringen bereits alles mit, Essen und Trinken.

Seit 17 Jahren führt Moscatelli das kleine Lokal, von dem aus man die wundervollsten Sonnenuntergänge genießen kann. Jetzt fürchtet auch sie um ihre Existenz: "Die Steuern wurden erhöht, die Einnahmen werden aber weniger. Das hier ist die einzige Einnahmequelle der Familie, denn mein Mann ist entlassen worden. Ich bin sehr besorgt." Auch um die junge Generation, sagt sie, denn die Zahl der Arbeitslosen steigt. Die Industrieproduktion hingegen sinkt.

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