Japan: Bevölkerung drängt auf Atomausstieg

In Japan ist die Protestbewegung gegen Atomenergie so groß und laut geworden, dass das Establishment sie nicht mehr übersehen und überhören kann. Jetzt bringt die bevorstehende Neuwahl, wahrscheinlich im November, eine neue Dynamik in die Energiediskussion. Der Atomausstieg bis zum Jahr 2030 scheint in Japan erstmals auf die politische Agenda gerückt zu sein. Der Wunsch der Bevölkerung auf möglichst wenig Atomkraft ist so stark wie nie.

Mittagsjournal, 25.8.2012

Verhandlungen mit Protestbewegung

Seit April demonstrieren jeden Freitag normale Bürger, darunter viele Frauen, mitten im Regierungsviertel gegen Atomkraft. Zunächst wurden die "lauten Geräusche" der Demonstranten von Regierungschef Noda Yoshihiko ignoriert. Noda hat endlich zugestimmt und hat erstmals mit Atomkraft-Gegnern verhandelt - ein historischer Tag für die Protestbewegung. Die Kritiker haben Noda vorgeworfen, er sei ein Handlanger der Atomindustrie. Dies hat der Regierungschef schärfstens zurückgewiesen: "Ich wurde nicht durch bestimmte Wirtschaftsorganisationen beeinflusst, als ich den Neustart anordnete. Das möchte ich hier einmal klar sagen. Dafür gab es wirtschaftliche Gründe."

Medienberichten zufolge haben sich innerhalb der Regierung die Gewichte zugunsten der Atomkraftgegner verschoben. Ein Beratergremium will offenbar vorschlagen, dass Japan die Atomenergie nur noch bis 2030 nutzt. Bisher sind Beobachter davon ausgegangen, dass sich die Experten auf einen Anteil von fünfzehn Prozent Atomenergie am Strommix festlegen. Vor Fukushima waren es 26 Prozent. Offiziell will sich die Regierung Ende September entscheiden.

Innovation im Bereich Energie

Laut einer Umfrage der Regierung will knapp die Hälfte der Bürger bis zum Jahr 2030 auf die Atomenergie verzichten. Regierungschef Noda hat bereits angeordnet, die praktischen Hürden eines Atomausstiegs zu untersuchen. Sein Wirtschaftsminister Yukio Edano begründet den Energieschwenk auch als neue Wachstumsstrategie.

Der Anteil der erneuerbaren Energien soll in den nächsten acht Jahren auf zwanzig Prozent steigen - mehr als doppelt so viel wie heute. Ein Markt für saubere Energien von umgerechnet 500 Milliarden Euro mit 1,4 Millionen neuen Jobs soll entstehen. Die Entwicklungskosten für diese neue Branche schätzt die Regierung auf 390 Milliarden Euro. Da bleibt für die Förderung der Atomenergie wenig übrig.