Kleinere Packungen zur Armutsbekämpfung

Neben der Schuldenkrise muss sich Europa auch noch mit steigenden Lebensmittelpreisen herumschlagen. Der Konsumgüterkonzern Unilever stellt sich auf eine Armutswelle ein und plant kleinere Packungsgrößen und niedrigere Preise. Eine vernünftige Strategie, findet Thomas Stelzer, Österreichs UNO-Diplomat für Entwicklungszusammenarbeit und Nahrungssicherheit.

Mittagsjournal, 28.8.2012

Mittagsjournal, 28.8.2012

Teure Lebensmittel: eine existentielle Bedrohung

Die steigenden Lebensmittelpreise seien in Europa wegen der hohen Kaufkraft ein eher geringes Problem, meint UNO-Diplomat Thomas Stelzer. Gerade Entwicklungsländer in Afrika und Lateinamerika würden darunter aber leiden. In Ländern, wo die Menschen schon 60 bis 70 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für das Überleben ausgeben, für die Grundnahrungsmittel, seien bereits geringe Preissteigerungen katastrophal, so der Diplomat.

Drohen wieder Hungerrevolten?

Steigende Lebensmittelpreise bergen auch einen sozialen Sprengstoff: Vor ein paar Jahren gab es Hungerrevolten in mehreren Entwicklungsländern. Dass sich das wiederholt, sei aus jetziger Sicht aber unwahrscheinlich, sagt Stelzer. Er erinnert daran, dass 2008 nicht nur der Anstieg der Lebensmittelpreise die Krise ausgelöst habe. Andere Faktoren wie der Export-Stopp einiger großer Reis exportierender Staaten und die nicht mehr funktionierenden Märkte hätten mitgespielt. Damals sei sehr viel zusammengekommen. Vieles davon sehe er heute nicht, sagt Stelzer.

Wichtige Ressourcen einfach weggeschmissen

Den Vorstoß des Konsumgüterkonzerns Unilever auf die Krise in Europa mit kleineren Packungsgrößen zu reagieren, hält Stelzer für vernünftig. Schließen sich andere Lebensmittelproduzenten diesem Weg an, dann könnte das dazu führen, dass in den Wohlstandsländern weniger Lebensmittel für den Mülleimer produziert werden. Denn Produkte, die in Europa etwa achtlos weggeschmissen werden, würden in ärmeren Teilen der Welt dringend gebraucht. Stelzer verweist darauf, dass die Konsumenten ungefähr 30 Prozent der Lebensmittel verrotten ließen. Dadurch gingen wertvolle Inputs verloren. Aus diesem Grund halte er den Schritt von Unilever für durchaus in die richtige Richtung gehend.

Preistreiber bei den Lebensmitteln

Den Grund für die steigenden Lebensmittelpreise sieht Stelzer weniger in der Rohstoffspekulation sondern einerseits in Umwelteinflüssen – etwa in massiven Ernteausfällen in den wichtigen Getreideexportländern USA und Russland – und andererseits im Biosprit, für dessen Herstellung auch landwirtschaftliche Rohstoffe benötigt werden. Stelzer: "Ich persönlich halte Biosprit für einen Irrweg." Der Diplomat argumentiert damit, dass schon die Bezeichnung "Biosprit" der völlig falsch sei, weil das mit Bio nichts zu tun habe. Hier würden Lebensmittel in die Tanks gefüllt. Und das trage eben zu den Preissteigerungen bei.

Alternativen zum Biosprit

Der Biosprit E10 soll demnächst auch in Österreich eingeführt werden. Statt in Biosprit zu investieren, sollte der politische Fokus eher auf Energieeffizienz und neuen Motorentechnologien liegen. Alternativen sieht Stelzer in sparsameren Motoren oder in elektrischer Energie für den Autoantrieb. "Die Entscheidung ist eine rein politische", meint der Diplomat.

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