Kindeswegnahmen wegen Armut

Dass das Jugendamt Eltern die Kinder wegnimmt, kennt man vor allem in Fällen von Missbrauch oder Gewalt. Aber jetzt wird wieder ein Fall bekannt, wo Wohnungslosigkeit und finanzielle Not der Eltern der Anlass dafür waren, dass zwei Kinder seit Jahren im Heim leben.

Morgenjournal, 28.9.2012

Wohnung verloren - Kinder weg

Es war keine Gewalt im Spiel, kein Missbrauch, keine Drogen. Grund dafür, dass die beiden Kinder von Klara und Gerhard F. aus dem Raum Salzburg in einer Kinderdorf-Österreich-Einrichtung leben, waren ausschließlich die finanziellen Probleme des Ehepaares, der Verlust der Wohnung vor dreieinhalb Jahren und die Verhaftung, nachdem das Ehepaar die Miete nicht mehr zahlen konnte, schildert die Mutter. Das geht auch aus Gerichtsakten hervor, haben Recherchen des ORF-Magazins "Am Schauplatz" ergeben.

Vorwürfe gegen die Eltern

Aber warum sind die Kinder nicht längst wieder zu Hause? Was steht dem Menschenrecht auf Einheit der Familie entgegen? Sie hätten ihre Schulden noch nicht ausreichend abgebaut, es drohe Verwahrlosung der Kinder, wird den Eltern vorgeworfen, und sie seien nicht kooperativ. Die Mutter verzweifelt: "Sie sind nie gefährdet gewesen. Das ist ein Wahnsinn in Österreich. Es ist völlig egal, ob die Kinder seelisch kaputt werden."

Zwei Jahre lang durften die Eltern die Kinder nur alle 14 Tage sehen - für vier Stunden - unter Aufsicht. Mittlerweile sind die Kinder jedes Wochenende zu Hause. Aber im Kinderdorf soll es diesbezüglich Drohungen geben. Eine laut Jugendwohlfahrt bedenklicher Vorwurf, der zu prüfen sei.

Mutter lohngepfändet

Die Eltern stecken unterdessen in einem Teufelskreis: Den Staat kosten die zwei Heimplätze rund 9.000 Euro monatlich, 318 Euro holt er sich von der Mutter zurück. Sie wurde lohngepfändet. Wäre ein Wohnungkostenzuschuss nicht besser und billiger gewesen als Heimeinweisung und Pfändung? Hannes Herbst, Leiter der Jugendwohlfahrt Salzburg-Umgebung: "Das ist im Gesetz so vorgegeben." Zum konkreten Fall dürfe er nichts sagen.

Jugendämter unter Druck

Die betroffene Mutter vermutet, es gehe darum, den Heimen Einnahmen zu sichern - durch Kindesabnahmen. Jugendwohlfahrtsleiter Herbst widerspricht. Man strebe immer die Rückführung der Kinder an. Aber Herbst räumt ein, seit dem Todesfall des kleinen Luca 2007 sei der Druck auf die Jugendämter gestiegen, man informiere seither die Gerichte umfassender. Im konkreten Fall gibt es mehrere Gerichtsbeschlüsse für die Fortsetzung der Heimunterbringung.

Neuer Obsorgeantrag

Die Eltern Klara und Gerhard F. haben inzwischen eine große Wohnung im Grünen und wollen einen neuerlichen Obsorgeantrag stellen. Die Kosten für ein neues Gerichtsgutachten von rund 3.000 Euro werden sie selbst tragen müssen. Und auf einen Gerichtsbeschluss werden sie wohl ein weiteres Jahr warten müssen - fürchten die Eltern.

TV-Tipp

Die Reportage über diesen und zwei weitere Fälle von Kindesabnahmen sehen Sie heute Abend in der Sendung "Am Schauplatz", 21.20 Uhr, ORF2.