Concordia-Unglück: Verfahren geht weiter
Neun Monate, nachdem das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia vor der italienischen Küste auf ein Riff gelaufen ist, findet heute in der toskanischen Stadt Grosseto das dritte Beweiserhebungsverfahren statt. Es ist das letzte vor dem Prozess, der im kommenden Winter beginnen soll. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der Kapitän, der mehrere Tage lang hinter verschlossenen Türen teilnimmt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15.10.2012
Öffentlichkeit ausgeschlossen
Niemand durfte wissen, wo der Unglücks-Kapitän Francesco Schettino gestern abend in Grosseto Quartier bezogen hat - um ihn vor dem Ansturm von Presse und Fernsehn zu schützen. "Ich will selber dabei sein" hatte er erklärt, "und meine Kompetenz einbringen, wenn die Daten der Blackbox diskutiert werden."
Experten haben die Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers ausgewertet und auf tausend Seiten und mehreren DVDs rekonstruiert, was in jener unheilvollen Nacht vom 13. auf den 14. Jänner tatsächlich passiert ist.
Die Richter haben für diesen letzten Akt vor dem Prozess im Saal des Teatro Moderno in Grossetro Quartier bezogen, um für das Heer aus Anwälten, Experten und Klägern genügend Raum zu bieten. Um neun Uhr hat die Mega-Anhörung begonnen, kein Ton war bis jetzt zu hören, die Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen. Drei bis sechs Tage sind anberaumt.
Streit um Verantwortung
Teile des im September fertiggestellten Gutachtens sind in den italienischen Medien durchgesickert. Mit schuldhafter Verspätung, so schreiben die Experten, wurde der Generalalarm ausgelöst. Aber auch gegen die Verantwortlichen der Krisenintervention der Rederei wird ermittelt. Vor allem dem Krisenkoordinator, Roberto Ferrarini, wird vorgeworfen, dem Kapitän in sechs Telefonaten nicht ausreichend klare Anweisungen gegeben zu haben. Unter den drei Verantwortlichen der Rederei ist auch der österreichische Costa-Manager Manfred Ursprunger. Die Reederei weist jede Mitschuld zurück.
Neben Schettino laufen auch gegen fünf weitere Verantwortliche an Bord Ermittlungen. Das Chaos soll bereits während des waghalsigen Manövers begonnen haben, als Kapitän Schettino beschloß, eine sogenannte Verneigung vor der Insel Giglio zu zelebriren, also mit dem Riesen-Schiff möglichst an die Insel zu fahren. Zwischen Englisch- und Italienischsprechenden war nicht klar, was zu tun war.
Die Sprachverwirrung setzte sich fort, nachdem der Schiffsrumpf durch einen Felsen unter Wasser aufgerissen war und Wasser einströmte.
Die Mannschaft, so die Experten, hatte vielfach nicht die für Katastophen erforderliche Ausbildung, und bei der stümperhaften Rettungsaktion hätten Leute mitgeredet, die ahnunglos waren. Am Ende waren 32 Passagiere tot.
Hausarrest beendet
Kapitän Schettino, der den Unfall zuerst heruntergespielt hat und dann von Bord gegangen ist, behauptet, er habe alle seine Pflichten erfüllt. Er ist im Juli aus den Hausarrest entlassen worden. Die Kreuzfahrtgesellschaft hat ihn nach einem Disziplinarverfahren entlassen. Schettino klagt auf Wiedereinstellung.
Vor der Insel Giglio ragt unterdessen der gesunkene Luxusliner aus dem Meer, wie ein Mahnmal. Der Koloss soll im kommenden Frühjahr endlich abtransportiert werden.