Kurz-Besuch in der Türkei

Österreich sei ein Beispiel gelungener Integration - das hat man schon eine Weile nicht gehört, besonders nicht aus dem Ausland, und schon gar nicht aus der Türkei. Gestern hat dieses Lob der türkische Europa-Minister Egemen Bagis ausgesprochen, und zwar gegenüber dem österreichischen Integrations-Staatssekretär Sebastian Kurz.

Morgenjournal, 23.01.2012

"Österreich ist ein gastfreundliches Land"

Mit 42 Jahren ist Egemen Bagis der jüngste Minister der Türkei. Umso größer sein
Erstaunen, als ihm mit Sebastian Kurz auf einmal ein viel jüngerer Politiker gegenüber sitzt, noch dazu einer, der aus dem alten und überalterten Europa kommt. Überrascht sind aber auch die Gäste aus Österreich. Davon nämlich, wie deutlich der türkische Europa-Minister die Integrationsbemühungen der Europäer lobt, vor allem die der Österreicher: "Deswegen haben zwei Drittel der Türken, die in Österreich leben, bereits die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen. Das ist ein gutes Zeichen: Es zeigt, dass Österreich ein gastfreundliches Land ist, und dass meine Leute Österreich als wirkliches Zuhause sehen. Und dass wir, wenn Österreicher und Türken zusammen arbeiten, festgefügte Bilder
verändern können."

Kurz: sind auf gutem Weg

Das hat man schon ganz anders gehört. Auch von Europa-Minister Bagis. Noch in jüngster Vergangenheit hatte die türkische Regierung gerne die Ressentiments vieler Europäer gegen ihre türkischen Nachbarn und die Islamfeindlichkeit Europas gegeißelt. Dass der türkische Europaminister jetzt das Gemeinsame hervorhebt, schreibt der österreichische Staatssekretär gerne auch seinen eigenen Bemühungen zu: "Es gibt seit eineinhalb Jahren ein Integrationsstaatssekretariat. Das heißt natürlich nicht, dass man die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte innerhalb von kurzer Zeit aufholen kann. Aber wird sind auf einem guten Weg."

Ziel ist eine Imagekorrektur

Und doch könnte die türkische Charmeoffensive auch noch andere Gründe haben. Ob die Türkei jemals ihr Ziel einer EU-Mitgliedschaft erreichen werde, sei letztlich eine Imagefrage, sagt der Europa-Minister. Und dieses Image werde zu einem Teil von Türken geprägt, die bereits in Europa seien: "Das größte Hindernis für unsere Bemühungen in die EU zu kommen, sind Vorurteile, die auf überholten Wahrnehmungen beruhen." Zu diesen Wahrnehmungen gehört nach Ansicht von Egemen Bagis das Bild von Türken, die sich an ihre Umgebung nicht anpassen wollten.

Kurz: Signale aus der Türkei wesentlich

Der österreichische Besucher ist mit solchen Aussagen zufrieden. Denn: "Wir merken immer wieder, dass für die unterschiedlichen islamischen Verbände oft auch interessant ist oder Gewicht hat, welche Signale aus der Türkei kommen. Und falsche Signale aus der Türkei, können uns die Arbeit oft schwieriger machen, als es notwendig wäre." Auch der Leiter der Islamischen Religionsbehörde Mehmed Görmez kann mit einigen der österreichischen Vorschläge offenbar etwas anfangen. So kann er sich grundsätzlich vorstellen, die Ausbildung der Imame teilweise nach Österreich zu verlagern. Bisher werden Imame ja fertig ausgebildet aus der Türkei nach Österreich geschickt.

Kritik an Visa-Pflicht

Bei aller Freundlichkeit zwischen Ankara und Wien haben die türkischen Gesprächspartner doch
auch Kritik angebracht. Kritik an der nach wie vor bestehenden Visa-Pflicht für Besucher aus der
Türkei. Die wird als ungerecht empfunden, weil sie älteren vertraglichen Zusagen der Europäer
widerspricht.