Gewalt in der Familie: Beweis oft schwierig

Gewalt und Morde in der Familie geschehen fast nie von heute auf morgen. Meist gibt es eine Geschichte und Steigerung der Gewalt, sagen Experten. Trotzdem werde nicht genug getan, um die Gewaltspirale zu durchbrechen. So gibt es in ganz Österreich nur eine einzige rechtsmedizinische Ambulanz, wo sich Gewaltopfer - Frauen, Kinder und Männer - untersuchen lassen können und wo Beweise für Gewalttaten dokumentiert werden.

Morgenjournal, 27.11.2012

Oft Mangel an Beweisen

Wenn Ärzte verletzte Personen untersuchen, dann geht es oft nicht nur um Heilung, sondern auch um Schuld oder Unschuld. Um die Frage, ob eine Frau, ein Kind, ein Mann böswillig verletzt wurde, sexuell misshandelt wurde - oder ob es sich um eine Selbstverletzung oder eine Unfallfolge handelt. Doch oft werden solche Verletzungen nicht ausreichend dokumentiert. Staatsanwältin Ursula Kropiunig ist spezialisiert auf Gewalt in der Familie und muss ihre Ermittlungen oft einstellen, weil Aussage gegen Aussage steht: "Es kommt relativ oft vor, dass wir im Zweifel einstellen müssen, weil wir keine objektiven Beweismittel haben."

Einzige Stelle in Graz

In Österreich gibt es eine einzige forensische Ambulanz, die rund um die Uhr geöffnet ist und wo spezialisierte Gerichtsmediziner Verletzungen untersuchen und dokumentieren - nämlich in Graz. Verletzungen werden exakt fotografiert, DNA-Spuren verwertet und der gesamte Körper eines mutmaßlichen Opfers untersucht, sagt Kathrin Yen, die die Ambulanz aufgebaut hat, bei einem Vortrag in Wien: Entscheidend sei dabei, dass die Untersuchungen rechtzeitig stattfinden, "weil Spuren und Verletzungen an lebenden Personen in der Regel nur ganz kurz haltbar sind und dann für immer verschwunden sind."

Gewalt steigert sich

In der Millionenstadt Wien und anderen Teilen Österreichs übernehmen Polizei, Amtsärzte, Spitalsärzte und niedergelassene Ärzte diese Aufgabe, Fotos und Dokumentationen von Verletzungen zu erstellen. Die Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich meint aber: "Die sind sehr oft sehr spärlich." Oft seien die behandelnden Ärzte dafür nicht ausreichend geschult oder haben zu wenig Zeit. Die Forderung von Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins autonome Frauenhäuser: "Wir brauchen solche forensische Ambulanzen in ganz Österreich" - damit die Frau falls nötig Beweismaterial für eine Anzeige habe. Damit könnten, appelliert Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich, solche Fälle rechtzeitig erkannt werden, bevor es zu Eskalationen kommt, die tödlich enden. "Die Gewalt beginnt nie von heute auf morgen, sondern steigert sich."

Kaum Pläne

In Wien gibt es vorerst nur konkrete Pläne für ein gerichtsmedizinisches Zentrum für Kinder - an der Kinderklinik, wo speziell auch Fälle von sexueller Gewalt untersucht werden sollen. Hier ist der Bedarf am größten, sagt Staatsanwältin Kropiunig, weil vor allem kleine Kinder oft gar keine gerichtlich verwertbare Aussage machen können. Doch ab wann es die geplante rechtsmedizinische Kinderambulanz geben wird, ist unklar. Es sei noch nicht geklärt, wie sie finanziert werden kann.