1932 - Der Stahlrohrsessel
Wir befinden uns heute im Jahr 1932 und stehen vor einem Stahlrohrsessel. Es handelt sich um einen Freischwinger mit nur zwei Beinen, ein puristisches Modell ohne Armlehnen, dessen Sitzfläche und Rückenlehne aus einfachen Holzlatten besteht. Das durchgehende Metallrohr ist himmelblau lackiert, so als wäre der Sessel im Freien zum Einsatz gekommen.
27. April 2017, 15:40
In öffentlichen Gebäuden, Arbeitsämtern und Arztpraxen waren Stahlrohrmöbel damals bereits weit verbreitet und die Architektur-Avantgarde versuchte jetzt, vor allem den nüchternen Stahlrohrsessel auch im Wohnraum zu etablieren. Bei der breiten Masse stießen die kalten und glatten Möbelstücke aber auf wenig Gegenliebe.
Einfachheit und Offenheit
Den ersten Stahlrohrsessel hatte 1925 der Bauhaus-Künstler Marcel Breuer entworfen, ein Jahr später bereits entwickelte der niederländische Architekt Mart Stam den ersten Freischwinger. Diese, der Neuen Sachlichkeit verpflichteten, Möbel sollten mit ihrer Einfachheit und Offenheit helfen, traditionelle Wohn- und Lebensformen zu überwinden. Durch diesen Befreiungsschlag sollte ein neuer Menschentypus geschaffen werden.
Das erschöpfende Anrennen der Avantgarde gegen die Gemütlichkeit und die alteingesessenen Gewohnheiten der breiten Massen, beklagte damals unter anderem der Komponist Arnold Schönberg.
Neues Wohnen
Das herausragende Beispiel für neues Wohnen war das 1928 fertig gestellte Haus Wittgenstein in Wien-Landstraße. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hatte es gemeinsam mit dem Architekten Paul Engelmann geplant und jedes Detail bis hin zur Türklinke oder der Form der Heizkörper selbst entworfen.
Die breite Masse konnte sich 1932 auf der größten Bauausstellung Europas über neue Wohnformen informieren. In der Werkbundsiedlung in Wien-Lainz waren 70 vollständig eingerichtete Häuser zu besichtigen. Der Leiter Josef Frank wehrte sich damals gegen die international vorherrschende "Überbetonung" von Maschinenästhetik und setzte deshalb verstärkt auf Holzmöbel. Eine Ausnahme bildete das Haus von Anton Brenner, der bekannt dafür war, Wohnungen zu entwerfen, in denen alle Funktionen auf engstem Raum vereint waren.