Strasser-Prozess: Sekretärinnen als Zeugen
Mit der Einvernahme einer ehemaligen Assistentin von Ernst Strasser hat am Dienstag der fünfte Verhandlungstag gegen den ehemaligen Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament begonnen. Strasser soll ihr gegenüber schon im Herbst 2010 den Verdacht geäußert haben, von einem Geheimdienst abgehört zu werden.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 4.12.2012
Anrufe bei Scheinfirma
Die 31-jährige Daniela K. hatte bis zu Strassers Rücktritt als EU-Parlamentarier dessen Büro in Wien geleitet und - wie sie nun dem Schöffensenat erklärte - Termine koordiniert, Flüge gebucht und Organisatorisches abgewickelt. Daniela K. war mit dem Namen Bergman & Lynch vertraut - diese angebliche, in Wahrheit nicht existente Firma schoben die Aufdeckungs-Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell vor, die laut Anklage als vermeintliche Lobbyisten Strasser für die Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung Geld in Aussicht gestellt hatten. Der Assistentin fiel auf, dass man bei Anrufen bei Bergman & Lynch stets auf einem Anrufbeantworter landete: "Drei Sekunden später hat man einen Rückruf erhalten. Das war teilweise sehr auffällig." Sie habe das auch mit Kollegen besprochen: "Das mutet seltsam an."
Davor oder danach?
Im Herbst 2010 habe Strasser erstmals erwähnt, dass er seiner Vermutung nach von einem Geheimdienst überwacht werde. Strassers Verhalten sei "fast schon paranoid" gewesen: Er habe ihr etwa einmal "im Vorbeigehen" einen Zettel hingelegt, auf den er gekritzelt hatte, "dass wir abgehört werden". Als Richter Georg Olschak der Zeugin vorhielt, sie habe bei einer Einvernahme im Ermittlungsverfahren angegeben, ihr ehemaliger Chef habe den Agenten-Verdacht erst nach Auffliegen der Bestechungs-Affäre geäußert, meinte Daniela K., sie könne sich nicht mehr genau erinnern. Das sei alles schon lange her. Ihrer Erinnerung nach sei die Bemerkung im Herbst 2010 gefallen.
"Jetzt wissen wir, wer dahinter steckt"
Als weitere Zeugin sagte Katarin W. (29), zunächst Praktikantin und später Assistentin von Ernst Strasser in Brüssel und Straßburg, im Prozess aus. Sie erklärte, die vermeintliche Lobbying-Agentur Bergman & Lynch habe Anfang März 2010 per Email um einen Termin mit Strasser ersucht. Im weiteren Verlauf habe ihr Chef den Geheimdienst-Verdacht ins Spiel gebracht und vermutet, sein Büro werde abgehört. Dass Bergman & Lynch eine Scheinfirma war, habe sie erst mitbekommen, als die "Sunday Times" die Tarnung auffliegen ließ und Strasser erklärte "Jetzt wissen wir, wer dahinter steckt".
"Hartnäckige Korrespondenz"
Die frühere Strasser-Assistentin hatte hinsichtlich einer Anleger-Entschädigungsschutz-Richtlinie auf Geheiß ihres Chefs bei Mitarbeitern von Strassers Fraktionskollegen Othmar Karas und Helga Ranner recherchiert und sich erkundigt, ob man noch einen Abänderungsantrag einbringen könne. Einen solchen sollen sich laut Anklage die vermeintlichen Lobbyisten gewünscht haben, die Strasser ein jährliches Honorar von 100.000 Euro für eine Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung in Aussicht stellten.
Da ihr aus dem Büro Ranner beschieden wurde, die dafür vorgesehene Frist sei bereits abgelaufen, hatte sich die Assistentin per Email mit der Bemerkung "Denkst du, dass man da noch etwas retten kann?" an eine Kollegin im Büro Karas gewandt. Richter Georg Olschak nannte das nun "eine hartnäckige Korrespondenz".
"Ich habe mir nichts gedacht dabei", erwiderte die Zeugin, "es war das erste Mal, dass ich mit so was befasst war." Sie habe "das so aufgefasst, dass die Sinnhaftigkeit dieses Antrags geprüft wird". (Text: APA, Red.)