MIT-Professorin Anna Frebel erklärt ihre Arbeit

Auf der Suche nach den ältesten Sternen

Man könnte Anna Frebel mit Fug und Recht als einen Shooting Star unter den Astronomen bezeichnen. Sie war noch nicht einmal mit dem Studium fertig, entdeckte sie schon den ältesten Stern. Das war 2007. Und seither ist Anna Frebel sozusagen am Firmament der Astronomen verewigt - als Entdeckerin des Frebelsterns. So heißt der Himmelskörper zumindest informell.

"Auf Konferenzen wird er manchmal so genannt, weil sich niemand merken kann, dass der Stern 'He 1523-0901' heißt", erzählt Anna Frebel. "Das HE steht für Hamburg/Eso Durchmusterung, (...) das 1523-0901 sind die Koordinaten des Sterns."

Archäologie im All

Der Frebelstern ist ein roter Riese, befindet sich etwa 7.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild der Leier und ist 13,2 Milliarden Jahre alt. Das Universum ist 13,7 Milliarden Jahre alt. Das heißt: Der Stern wurde bald nach dem Urknall geboren.

Anna Frebel nennt die Suche nach den ältesten Sternen "stellare Archäologie". Man buddle sozusagen im All, meint die Astronomen. Und wozu das eigentlich? "Wir sind daran interessiert, die chemische Entwicklung der Milchstraße, der Galaxie kennenzulernen, verstehen zu können, und diese allerältesten Sterne, die helfen uns dabei, weil zu der Zeit gab es im Universum noch nicht viel mehr als Wasserstoff und Helium", so Frebel.

Die allerersten Sterne produzierten die ersten schwereren Elemente in ihrem Inneren. Und wenn sie in einer Supernova-Explosion starben, reicherten sie auf diese Weise das Universum an. Denn bei diesen Explosionen wurde das Sternenmaterial in Fontänen in das interstellare Medium geschleudert. Das sind riesige Gaswolken, und aus diesen bildeten sich wiederum neue Sterne. Und wenn diese starben, reicherten sie das Universum ihrerseits an.

Die Gene der Sterne

"Unsere Sonne steht da ziemlich am Ende im weit fortgeschrittenen Stadium der chemischen Entwicklung", sagt Frebel. "Die schweren Elemente sind sowas wie die Gene der Sterne, um Carl Sagan zu zitieren: Die Sterne werden aus Sternenstaub gemacht, und wir Menschen natürlich auch."

Wir, die Menschen, bestehen aus Sternenstaub - das ist ein legendäres Zitat des berühmten Astronomen Carl Sagan. Denn alle Elemente, aus denen der Mensch besteht, gibt es im Universum. Anna Frebel forscht also, wie der Sternenstaub wurde, was er ist und damit letztlich: Wie kam es, dass wir so wurden, wie wir sind?

Wie die Astronomin schon anfangs erwähnte: Die Suche nach den ältesten Sternen hat etwas von der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen an sich. Die Milchstraße enthält geschätzte 200 Milliarden Sterne. Alte Sterne hat man bisher nur ein paar Dutzend entdeckt. Sie sind versteckte Einzelobjekte im All, ohne Monde, ohne Planeten. Denn zur Planetenbildung braucht es schwere Elemente, von denen es in der Frühzeit des Universums nicht genug gab.

Wasser aus dem Urknall

Die Spurensuche erfolgt mit Teleskopen. Anna Frebel analysiert dabei das Spektrum des Sternenlichts: "Wir fangen auch Sternenlicht auf und schicken es vom Teleksop in den Spektrografen, und dadurch wird das Licht aufgespalten in Regenbogenfarben. Wir machen das, weil man im Spektrum verschiedene schwarze Linien sieht, d. h. das Licht ist dort weggefressen worden, und das passiert, weil jedes element an bestimmten Stellen des Spektrums Licht wegfrisst - technisch: absorbiert - und das endet in einem Barcode, einem chemischen Fingerabdruck. Aufgrund der Position und Stärken der Linien können wir dann auf die chemische Zusammensetzung schließen."

Viele Bücher über Astrophysik kommen dem Leser nicht gerade entgegen. Anna Frebels "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" ist da eine erfreuliche Ausnahme. Im folgenden Zitat knüpft die Autorin an den schon erwähnten Ausspruch von Carl Sagan an, dass wir alle aus Sternenstaub gemacht sind. Bloß ist sie nicht ganz so poetisch. Anna Frebel schreibt über den Menschen:

Diese klare, bildhafte Sprache zieht sich durch das ganze Buch. Anna Frebel erläutert, warum es ihr so wichtig ist, dass Laien verstehen, wovon sie schreibt: "Die Wissenschaftler müssen ihre Ergebnisse mehr dem breiten Publikum verständlich machen, weil wir werden letztendlich dafür bezahlt. Es ist unsere Aufgabe, klar zu machen, was wir tun den ganzen Tag. (...) Es werden immer nur die Hochglanzresultate präsentiert: Wir haben einen neuen Planeten gefunden; wir wissen, dass es das Boson gibt; aber der Weg dahin, der ziemlich langwierig und oft auch steinig ist, wird selten beschrieben."

Der Anblick der Milchstraße

Vor allem Jugendliche sollen verstehen, dass wissenschaftliche Ergebnisse nicht einfach aus dem Hut gezaubert werden. Sie selbst habe als Teenager keine Vorstellung gehabt, womit ein Biologe oder Physiker seine Tage zubringt. Als Astronomin sitze sie viel am Computer, mache Berechnungen und starre auf den Bildschirm. Doch ein paar Mal im Jahr reist sie nach Chile, zum Riesenteleskop. Dort ist der Anblick des Himmels ein ganz anderer als in ihrer Wahlheimat Boston, sagt sie:

"Wenn ich denn abends hochkucke, dann sehe ich orangene Wolken am Himmel wegen der Lichtverschmutzung." Wer in einer größerer Stadt lebt, habe fast keine Möglichkeit mehr, den Himmel zu beobachten. "Wenn ich in Chile bin, auf der Atacama auf 2500m Höhe, ist das was ganz Anderes; da ist die Luft klar und trocken, es gibt wenig Wolken, man sieht die Milchstraße in aller Pracht."

Service

Anna Frebel, "Auf der Suche nach den ältesten Sternen", S. Fischer

S. Fischer - Auf der Suche nach den ältesten Sternen
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