Krimi von Jim Thompson

In die finstere Nacht

Er ist der tatsächliche Ahnherr des "hard-boiled"-Genres in der zeitgenössischen Kriminalliteratur: Jim Thompson, geboren 1906 in Oklahoma, gestorben 1977 in ärmlichen Verhältnissen in Los Angeles.

Ganze Generationen angloamerikanischer Krimi-Autoren haben sich an ihm abgearbeitet, zählen ihn zu ihren unerreichten Vorbildern. Die Liste reicht von James Sallis bis zu James Ellroy - um nur zwei Namen von vielen zu sagen -, aber auch ein Stephen King, der mit dem klassischen Kriminalroman wenig zu tun hat, zählt nach eigener Aussage zu Thompsons großen Bewunderern.

Erfolgreiche Verfilmungen

Psychologisch raffinierte, atmosphärisch stimmige, grausam inszenierte und lakonisch erzählte Kriminalgeschichten, die das Verbrechen auch sozio-ökonomisch, wenn man es so nennen will, einordnen - die waren und sind bis heute selten zu lesen. Einige von Jim Thompsons Meisterwerken haben es auch auf Celluloid geschafft: "Getaway", in den 1970er Jahren erstmals verfilmt von Sam Peckinpah, "Der Mörder in mir" - Thompsons psychologisch vielleicht eindrucksvollster Krimi - ebenfalls mehrfach verfilmt, und schließlich "1280 schwarze Seelen", ein Spätwerk des Autors über einen scheinbar naiven Dorfsheriff, der am Ende mit allen aufräumt. Der Film unter dem Titel "Der Saustall" zählt bis heute zu den besten des französischen Regisseurs Bertrand Tavernier. Mit Phillipe Noiret in der Hauptrolle hat er die Handlung aus dem US-amerikanischen Westen einfach nach Afrika verlegt.

Warum Jim Thompson - der übrigens ein Vielschreiber ohnegleichen war, von frühen Storys für die "pulp fiction"- und "true crime"-Magazine der 1930er Jahre bis zu Hollywood-Drehbüchern nach dem Zweiten Weltkrieg -, warum er nie als Gleichrangiger in den posthumen Olymp eines Raymond Chandler oder Dashiell Hammett aufgenommen wurde, das mögen andere beurteilen.

Aus dem Rahmen gefallen

Aber genug der Vorrede. Was vorliegt - und das ist dem Heyne Verlag, Abteilung "HardCore", so steht es auf dem Buchumschlag, zu verdanken - ist ein Kriminalroman, der Anfang der 1950er Jahre im Original erschienen und bislang nicht ins Deutsche übersetzt worden ist.

Der "plot" ist ein Thompson-Klassiker: Ein kleines Nest, irgendwo in der Nähe von Chicago. Ein Profikiller, der einen Kronzeugen in einem Mafia-Prozess möglichst unauffällig aus dem Weg schaffen soll. "Undercover" - wie es im Krimijargon heißt - siedelt sich der Auftragsmörder in unmittelbarer Nähe des Opfers an, geht einer geregelten Arbeit in der örtlichen Bäckerei nach und versucht, seinen tatsächlichen Job zu erfüllen. Die Sache gestaltet sich komplizierter als erwartet, es kommen Liebschaften dazwischen, und wie das alles endet - das wird hier naturgemäß nicht verraten.

Nur so viel: Die Geschichte fällt ein wenig aus dem ansonsten strengen Konzept des Jim Thompson, und das macht sie für diejenigen, die die Klassiker des Autors kennen, umso spannender: Der Killer ist nicht nur kleinwüchsig, gute 1 Meter 50, er ist auch noch todkrank. Und das Finale weist nicht nur den üblichen "Showdown"-Charakter auf, nein, es hat nahezu phantastisch-surreale Erzählmuster.

Fazit: Ein absolut lesenswerter Jim Thompson mit dem Titel "In die finstere Nacht". Und noch ein Tipp: Heyne-Hardcore hat schon im vergangenen Jahr mit der Neu- und Wiederentdeckung des Autors begonnen: Erstmals wurde Thompsons 1942 im Original erschienener Erstling "Jetzt und auf Erden" im deutschen Sprachraum veröffentlicht.

Service

Jim Thompson, "In die finstere Nacht", aus dem Amerikanischen von Simone Salitter und Gunter Blank, Heyne Taschenbuch

Heyne - In die finstere Nacht