Bibelkommentar zu Jesaja 60, 1 - 6

Am Fest der Erscheinung des Herrn, am Epiphaniasfest, überstrahlt noch einmal ein herrlicher Glanz die Weihnachtsgeschichte.

Zu Weihnachten hat die Christenheit nun tagelang bedacht, erzählt, in Bildern ausgemalt, in Liedern besungen, dass Jesus geboren ist - viel mehr noch: dass in diesem Kind Gott auf die Erde gekommen und Mensch geworden ist, dass Gott sich klein gemacht hat und so den Menschen ganz nah sein will.

Am Fest der Erscheinung, heute, wird nun betont: Es ist wirklich Gott selbst, der sich in Jesus der Menschheit zuwendet und gerade dadurch seine besondere Größe zeigt.

Dass das eine lange, sehnsuchtsvolle Vorgeschichte hat, wird in den prophetischen Worten des Jesajabuches deutlich: „… über dir geht auf der HERR,... seine Herrlichkeit erscheint über dir. Zu deinem Licht werden die Heiden ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Deine Lust wirst du sehen und vor Freude strahlen...“

Zu Jerusalem wurde so gesprochen. Um das Jahr 538 vor Christus. 70 Jahre lang hatten sich die Israeliten danach gesehnt aus dem Exil in Babylon wieder zurückzukehren. In glühenden Bildern hatten sie sich das Glück dieser Heimkehr ausgemalt, als die große Erfüllung aller Träume, das Wahrwerden aller Sehnsüchte, inneren und äußeren Frieden, ein Leben ohne Mühseligkeit, gerechte Verhältnisse zwischen den Menschen, die spürbare, wohltuende Nähe Gottes. Nun waren die ersten Israeliten aus dem babylonischen Exil zurückgekehrt. Doch: sie fanden keine blühenden Landschaften. Der zerstörte Tempel wurde nur stockend wieder aufgebaut. Edle Materialien von einst mussten durch billige Rohstoffe von jetzt ersetzt werden. Der Alltag war mühsam, die Heimkehrenden und die, die im Land zurück geblieben waren, fanden nur schwer zueinander.

„Mach dich auf! Werde Licht!“ - sagt der Prophet. Er sieht mehr. Er sieht die Stadt – allen Erfahrungen zum Trotz – in einem göttlichen, einem himmlischen, einem überwältigenden Licht und ruft heraus: „Mach dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“

Nur wenn ich die Augen schließe, kann ich dieses Licht über Jerusalem sehen. Dann kann ich sehen, was der Prophet sieht. Es ist ein fulminantes, grandioses Bild, das er zeichnet. Er sieht ganze Völker wallfahren zu dieser strahlenden Stadt. Er sieht, wie sie ihre Schätze heranschaffen. Er sieht Gold, Weihrauch und einen Glanz, der über der Stadt liegt. Er sieht mehr als seine Zeitgenossen. Die sahen ein verwahrlostes, verkommenes, hoffnungsloses, finsteres Jerusalem.

Jesajas Botschaft ist nicht als trotzig, kein frommes Gerede, keine Vertröstung, sondern vielmehr: Herausforderung und wundersame Kraftquelle zugleich!

Die Weihnachtsgeschichte hat uns zeigen wollen, dass der Glaube mitten in die Widrigkeiten der Welt gehört. Jesus ist da, wo Menschen in Armut leben. Jesus ist da, wo Menschen auf der Flucht sind. Jesus ist da, wo Kinder ermordet werden, weil die Mächtigen keine Grenzen mehr kennen und wild um sich schlagen. Der Glaube gehört in die Schrecken der Welt, aber er wird nicht von diesen Schrecken überwältigt! Das ist die Verheißung von Epiphanias!

Weihnachten hat etwas mit Aufbruch zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass wir uns selber auf den Weg machen müssen, um dem, das da geschehen ist, näher zu kommen - so wie die Hirten aus der Umgebung Bethlehems; - so wie die Weisen kamen, die aus der Ferne einem Stern, einem geheimnisvollen Licht gefolgt waren. Das Motiv des Lichtes zieht von Anfang an eine heilsame Spur. Das Licht hilft sehen lernen, lässt erkennen. Bei diesem Lichte besehen gibt es kein oben und unten.

An der Krippe ist der reiche Gast aus dem Orient genauso groß, genauso klein wie der Hirt und umgekehrt. Macht oder Ansehen zählen nicht. Es zählt nur der Mensch. Im Blick auf Gott (und erst recht von Gott her) sind wir alle gleich. So könnte Weihnachten die Maßstäbe der Welt verändern.

Doch das Leben stellt unseren Glauben immer wieder in Frage. Noch immer „bedeckt“ Finsternis den Erdkreis „und Dunkel die Völker.“ Noch immer gibt es: Geiselnahmen, Morde an Schulkindern, Verkehrsunfälle, abgeholzten Regenwald, Obdachlose, die bei der Kälte im Freien erfrieren, Drogentote, Gewalt und andere Schandtaten. Auch wenn „Gott in tiefer Nacht erschienen“ ist, „kann unsre Nacht“ sehr „traurig sein“. Anderes zu behaupten, ist einfach nicht wahr.

Jedoch: Gott kommt zu den Menschen, das ist ganz wichtig, aber damit er ankommen kann bei den Menschen, muss ihm auch Einlass gewährt werden. Damit sein Licht uns treffen kann, heißt es: aufzustehen und das Gesicht dem Licht entgegenzuhalten. Wer ihm den Rücken kehrt, wirft selber Schatten.

Jesus ist aufgetreten als einer, der um die Menschen geworben hat, der sie gewinnen wollte für ein Leben im Licht, - also in Klarheit und Wahrheit, in Verantwortung und Solidarität.

Christsein ist keine Religion des stillen Sitzens, ist manchmal unbequem. Wir werden auf den Weg geschickt, um dieses Licht Gottes in die Welt zu tragen. „Mache dich auf, werde licht.“ „Ihr seid das Licht der Welt“, hat Jesus gesagt.

Wir werden an die anderen Menschen gewiesen - sowohl Seite an Seite als auch einander gegenüber. Und es weiß doch jede und jeder von uns, dass wir da etwas bewirken können - im Kleinen und erst recht gemeinsam, als ehrfürchtige Menschheit. Dann beginnt wahr zu werden: „Du wirst deine Lust sehen und vor Freude strahlen, ... dein Herz wird erbeben und weit werden“

Es lohnt sich allemal dem Aufruf zu folgen: Macht euch auf – werdet licht – und dann geht hin in alle Welt .... Ihr werdet sehen, das hat Folgen.